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DER SACHS IST ETWAS GANZ BESONDERES - INTERVIEW MIT GUIDO JENTJENS

OF: Lieber Herr Jentjens, im vorletzten Herbst erreichten Sie den Höhepunkt Ihrer erfolgreichen Sängerkarriere: An Ihrem Stammhaus, dem Staatstheater Nürnberg, sangen Sie in David Mouchtar-Samorais Neuinszenierung von Wagners „Meistersingern“ zum ersten Mal den Hans Sachs. Was für ein Gefühl hatten Sie, als Sie zum ersten Mal in der Rolle des Schusterpoeten auf der Bühne standen?

J: Die Partie des Hans Sachs ist immer eine ganz besondere, aber für mich in Verbindung mit meiner jetzigen Heimat Nürnberg auch ein großes Privileg und obendrein eine Verpflichtung! Auf der einen Seite steht die Geschichte der Rolle, auf der anderen die Bedeutung der Stadt Nürnberg nicht nur in der Zeit von Sachs. Beim Einstudieren der Rolle mit meinen Repetitoren hatte ich immer die Burg und/oder die alte Stadtmauer vor Augen. Spätestens beim Wahnmonolog stellten sich bei mir Assoziationen an den Nationalsozialismus ein und ich musste daran denken, dass Adolf Hitler bei den Reichsparteitagen in Nürnberg in der heute nicht mehr existierenden Führerloge des Opernhauses saß und den „Meistersingern“ lauschte. Aber auch Sachs’ erste Ansprache auf der Festswiese ruft in mir immer starke Emotionen wach, weil sie direkt an die Nürnberger gerichtet ist. Und das bedeutet für mich eben an mein Publikum in meiner Stadt!

OF: Wie kam es zu diesem wichtigen Rollendebüt?

J: Ich habe mich um die Partie bemüht, weil ich nach einer neuen Herausforderung in dieser Richtung suchte. Mein Intendant hat mich darin auch unterstützt. Bereits bei den Festspielen in Erl, die durch eine Agentur an mich herangetreten sind, konnte ich mit dem fabelhaften Dirigenten Gustav Kuhn und einem unglaublich engagierten Team von Kollegen, die ich zum Teil schon seit über zwanzig Jahren kannte, an dieser Rolle arbeiten. Das waren Bedingungen, wie ich sie mir besser nicht hätte wünschen können - zumindest was diese Ausnahmepartie angeht!

OF: Worin bestehen für Sie die größten Herausforderungen der Hans-Sachs-Rolle?

J:  Die größte Schwierigkeit liegt ganz sicher in ihrer Länge! Es gibt wenige Möglichkeiten, bei Proben die Partie einmal ganz durchzusingen, weil Durchläufe einfach den normalen zeitlichen Probenplan sprengen. Deshalb muss man als Sänger die Vorstellungen dazu benutzen, um zu einer für sich sinnvollen stimmökonomischen Einteilung der Rolle zu kommen, verbunden mit gleichzeitigem Krafttraining und der richtigen Darstellung des Charakters. Ich bin auch der Ansicht, dass man diese Partie über Jahre hinweg singen muss, um sie immer mehr in Körper und Kehle zu bekommen. Dazu gehört auch das Eintreten für eine persönliche stimmliche Interpretation. Kein Sachs-Sänger kann bestehen, wenn der Dirigent anders schlägt, als er es braucht. Das kann leider von Abend zu Abend variieren. Ich kenne aus meiner langjährigen Erfahrung als Opernsänger keinen Kollegen, der gegen einen Dirigenten überlebt hätte, der andere Tempovorstellungen als er selbst hatte. Das gleiche gilt für die Darstellung: Für mein Debüt als Sachs fanden Sie in Ihrer Kritik für ORPHEUS die Worte „Mehr Poet als Schuster“. Das trifft haargenau zu und war auch so gewollt. Vielleicht bringt ein anderer Regisseur mir irgendwann den Handwerker noch näher.

OF: Kamen Sie mit der Auffassung Mouchtar-Samorais von der Sachs-Rolle zurecht?

J: Ich möchte nicht zu sehr über Interna plaudern, aber mein Kollege und ich hatten in der Darstellung sehr viel Freiheit und haben uns eher untereinander als mit dem Regisseur beraten. Ich persönlich hatte das Gefühl, dass David Mouchtar-Samorai andere Prioritäten hatte als die Arbeit an einer Charakterstudie des Sachs.

OF: In derselben Produktion gaben Sie alternierend auch den Pogner. Nun kommt es nicht alle Tage vor, dass ein Sänger in ein und derselben Inszenierung gleich beide Partien abwechselnd verkörpert. Auf welche Weise kam diese ungewöhnliche Rollenkombination zustande?

J: Der Dirigent der Nürnberger Neuproduktion wollte für die Premiere einen Sänger, der mit dem Sachs schon Erfahrung hat. Das war bei meinem Kollegen der Fall, bei mir aber nicht, weswegen ich in der ersten Aufführung den Pogner sang, den ich ja bereits über zehn Jahre im Repertoire habe. Es war für mich eine überschaubare Belastung, beide Partien zu proben. Natürlich wäre es für mich sehr viel schwieriger geworden, wenn ich beide Rollen zum ersten Mal erarbeitet hätte. Allgemein ist es ja nicht ungewöhnlich, dass man beide Rollen zur Verfügung hat, so man denn den Sachs überhaupt singt. Das haben fast alle großen Bässe der Vergangenheit und Gegenwart gemeinsam. Ich nenne da nur Greindl, Ridderbusch, Schenk, Hawlata oder auch meinen Freund Albert Pesendorfer. Das erklärt sich aus der logischen Abfolge der Rollenerfahrungen mit Wagner. Es wird ja auch kein Heldentenor gleich mit dem Tristan beginnen. Da kommt eben noch einiges davor!

OF: Wie lief das studier- und probentechnisch ab?

J: Außer im ersten Aufzug sind Sachs und Pogner ja kaum gleichzeitig auf der Szene, da kann man dann während der Proben viel zuschauen und lernen. Andererseits kannte ich natürlich auch die Musik des Sachs, gerade weil ich so oft den Pogner gesungen hatte. Diese Art des Probierens mit und als Doppelbesetzung bin ich aufgrund meiner langjährigen Zugehörigkeit zu Ensembletheatern gewöhnt und demzufolge mit den Anforderungen einer solchen Arbeit vertraut. Bei den Endproben muss man sich dann mehr auf eine Partie konzentrieren, was nicht immer einfach ist. Für mich war in diesem Zusammenhang das vorangegangene Engagement in Erl von höchster Wichtigkeit, weil es mir die Sicherheit gegeben hat, in der Rolle des Hans Sachs zumindest erst einmal durchzukommen! Das klingt vielleicht sehr prosaisch, ist aber ein nicht zu unterschätzendes Gefühl.

OF: Wie der Sachs, der für einen Bass relativ hoch liegt, hat auch der Pogner seine Tücken. Seine Tessitura schraubt sich kontinuierlich immer höher, ohne der Stimme viel Entspannung zu gönnen. Welche dieser beiden Partien fällt Ihnen leichter: Sachs oder Pogner?

J: Beide Rollen haben ihre Tücken. Der Pogner steigt gleich ziemlich hoch ein und hat im ersten Aufzug ja auch viel mehr zu singen als Sachs. Letzterer liegt zwar sehr hoch, aber die Spitzentöne sind selten der Höhepunkt einer Arie und zudem anders in die Gesangslinie eingebunden. Bei den letzten Phrasen der großen Ansprache Pogners im ersten Aufzug läuft alles auf das abschließende hohe ‚f’ hinaus, das von der Vorbereitung und der Vokalfarbe her äußerst schwer anzusetzen ist. Man kann da auch vorher nicht sparen (das sollte man eh’ nicht, das Publikum hat Aussingen verdient), weil die Lage der Rolle das nicht zulässt. Und nach diesem schweren Druck ist die Partie des Pogner dann fast vorbei und man wartet. Es ist gar nicht so leicht, da nicht die Spannung zu verlieren.

OF: Veit Pogner haben Sie bereits in zahlreichen anderen Inszenierungen an verschiedenen Opernhäusern gesungen, u. a. bei den Bayreuther Festspielen 2001/02 in der Inszenierung von Wolfgang Wagner. Inwieweit hat der Enkel Richard Wagners Ihr Verständnis von der Rolle geprägt? Wie war die Zusammenarbeit mit ihm? Wurden Sie schon einmal mit einer Deutung des Goldschmiedes konfrontiert, mit der Sie sich nicht anfreunden konnten?

J: Wichtig und maßstabsetzend ist für mich meistens die erste Arbeit an einer Rolle. Hier kann und muss ich natürlich Wolfgang Wagner nennen. Viel kritisiert und oft belächelt wurde er von mir hoch verehrt! Er hat sich meiner bei den „Meistersinger“-Proben zu den Bayreuther Festspielen 2001 besonders angenommen. Alles, was ich durch ihn erfahren habe, hatte eine treffliche Allgemeingültigkeit für das Verständnis des Werkes und der Partie des Pogner. Und das nicht nur hinsichtlich seiner Produktion, die von einem tiefen Empfinden der Musik und der Worte geprägt war. Ich habe es als echtes Privileg empfunden, ihn noch beim Inszenieren erlebt zu haben. Für meine weitere Arbeit am Pogner war das natürlich wichtig. Leider musste ich in anderen Produktionen dann schon einmal Überzeugungsarbeit leisten, so auch in Nürnberg! Die Ansprache des Pogner im Sitzen singen zu müssen, während einem die Kollegen körperlich ganz nahe sind, ist nur schwer zu realisieren. Ich war dann auch sehr glücklich, als man bei den Endproben feststellte, dass die Stimme in dieser Position nicht über die Rampe dringt.  

OF: Wie kam damals Ihr Engagement nach Bayreuth zustande?

J: Im Herbst 2000 erhielt ich die Einladung, für die Festspiele vorzusingen. Christian Thielemann hatte von meinem Erfolg als Marke in Karlsruhe gehört. Neu zu besetzen war u. a. der Nachtwächter in den „Meistersingern“. Für diese Rolle war ich wohl angedacht. Darüber hinaus gab es Kollegen, die für den Pogner vorsangen und - ich muss es leider so sagen - scheiterten. Dabei handelte es sich bei ihnen um tolle Sänger, die heute noch international reüssieren. Als ich meinen Nachtwächter anbieten wollte, fragte mich Christian Thielemann, ob ich je den Pogner gesungen hätte. Das verneinte ich, bot aber an, die Ansprache mit Noten zu singen, da ich in Aufführungen, in denen ich einen kleinen Meister gesungen hatte, dieser Musik immer aufmerksam zugehört hatte. Nachdem ich fertig war, boten mir Maestro Thielemann und Katharina Wagner an, diese Partie bei den nächsten Festspielen zu singen - mein ungläubiges Erstaunen muss ich wohl nicht näher beschreiben!!!

OF: Was hat es für Sie bedeutet, in Wagners Festspielhaus singen zu dürfen?

J: Ich hatte seit meinem 20. Lebensjahr immer wieder die Möglichkeit, Aufführungen und Generalproben in Bayreuth zu besuchen, wobei ich den Genius Loci durchaus gespürt habe. Umso mehr empfand ich dieses Gefühl bei den Vorstellungen. Ich will aber nicht verhehlen, dass es auch ein gewaltiger Stress war, mit der ungewohnten Akustik und den hauseigenen Schwierigkeiten zurecht zu kommen; da begann der Spaß erst später. Mein Bayreuth-Debüt wurde ja auch als Festspieleröffnung per Rundfunk in alle Welt übertragen!

OF: Wolfgang Wagner hat die „Meistersinger“ sehr konventionell in Szene gesetzt. Und Philippe Arlauds „Tannhäuser“-Produktion, in der Sie in den folgenden Jahren den Landgrafen Hermann gaben, war zwar schön anzusehen, aber nach meinem Ermessen ziemlich langatmig. Wie ist es: Bevorzugen Sie solche traditionellen Inszenierungen oder ziehen Sie moderne Produktionen vor?

J: Ich befürworte Inszenierungen, die einem Sänger nicht übergestülpt werden. Das gilt auch für die musikalische Konzeption, weil jeder Gesangssolist bei Wagner sehr viel aus seinem Körper, der ja sein Instrument bildet, herausholen muss. Lassen Sie mich in diesem Zusammenhang noch einmal betonen, dass das Musiktheater eine gemeinsame Arbeit aller Beteiligten ist. Mit Umdeutungen kann ich gut umgehen, wenn ein Regisseur mich als Sänger und Darsteller auf seinem Weg mitnimmt und sich erklären kann. Im Übrigen schwingt in Ihrer Frage ein bisschen das Vorurteil mit, dass alle konventionellen Produktionen eher langweilig sind. Dem ist aber sicher nicht so! Vieles findet eben auf einer anderen Ebene statt, wobei das Optische manchmal etwas vernachlässigt wird. Ich habe Aufführungen auf leerer Bühne gesehen, die mich total in ihren Bann geschlagen haben. Auf der anderen Seite gab es aber auch moderne Deutungen, die mich ratlos und frustriert zurückgelassen haben, weil ich das gleiche Empfinden bei den Kollegen auf der Bühne bemerkte. Ein „Rosenkavalier“ oder ein „Figaro“ funktioniert eben nur, wenn man ein Feudalsystem auch sichtbar auf die Bühne bringt - das lus primae noctis wird sonst zu keiner Zeit klar, und genau darum geht es bei Mozart leider. Ich mag auch nicht in eine Ecke gedrängt werden, wo ich die Musik verteidigen muss. Ich übe diesen Beruf jetzt seit 25 Jahren aus und weiß gottlob Bescheid über viele Partien, ihre Musik, ihre Unter- und Zwischentöne einschließlich des Unausgesprochenen. Es gibt aber Dinge, die ich beim besten Willen nicht zu erkennen fähig bin und muss dann auch einmal einem Nichtmusiker Paroli bieten können. Die Tendenz, dass viele Regisseure (und Dirigenten) nur noch mit Rollendebütanten arbeiten möchten, spricht für sich, ist aber der Qualität des künstlerischen Ergebnisses meist nicht förderlich.

OF: Diese Thematik lässt sich wohl am besten anhand zweier „Tristan“-Inszenierungen verdeutlichen, in denen Sie jeweils den Marke gesungen haben. In Augsburg war die große Szene des Königs im zweiten Aufzug für mich sterbenslangweilig. Rosamund Gilmore ließ ihn praktisch nur tatenlos herumstehen und purem Rampengesang frönen. Wie anders war es dagegen in Mainz - Sie sind damals dankenswerterweise für den erkrankten Hans-Otto Weiß eingesprungen -, wo Tilman Knabe die Figur radikal umgedeutet hatte. Er sah Marke als Gaddafi nachempfundenen Diktator, der die beiden Kollaborateure Tristan und Isolde, deren Widerstand gegen sein grausames Staatssystem nur zu verständlich erschien, rüde misshandelte und Isolde sogar mit einem Messer eine klaffende Gesichtswunde zufügte, die sie für immer entstellte. Die Klage des Königs wurde bei Knabe zu einer einzigen Verhöhnung, zu einem von purem Spott und Zynismus geprägten Lamento, das von seiner Leibgarde mit kaltem Gelächter kommentiert wurde. Wie kamen Sie mit diesem ungewohnten Konzept zurecht? War für Sie die Mainzer oder die Augsburger „Tristan“-Produktion überzeugender?

J: Ich bin, was die Augsburger „Tristan“-Inszenierung angeht, nicht Ihrer Meinung. Vielleicht hatte da auch der Kritiker einmal eine Indisposition? Ich empfand sowohl die Arbeit mit Frau Gilmore als auch die Beschäftigung mit Knabes „Tristan“ als überaus bereichernd für mich. Im Übrigen gibt es auch Bühnenbild(n)er, die einen zum Stehgesang zwingen. Wenn man als Spielfläche nur einen knappen Meter auf der Vorderbühne sowie hinter sich eine Mauer hat, und das Ganze zudem mit einem langen Mantel und Rüstung singen muss, dann passt man eben sehr auf, wie und wohin man sich bewegt, denn jeder Stolperer kann für einen selber und auch für Musiker im Graben lebensgefährlich werden. Auch der „Tristan“ in Mainz war für mich sehr interessant, weil er eine große Herausforderung für mich als Schauspieler war. Damit hatte ich großen Spaß - und auch Erfolg! Aber noch einmal: Aus der Musik kann ich diese Umdeutung nicht begründen, auch nicht aus dem Text. Wenn man mir normalerweise bescheinigt, dass ich als König Marke eine „Träne“ in die Stimme legen kann, so war dies bei Knabe nicht erwünscht. Im Gegenteil: Die Ausbrüche eines Machtpolitikers spielen in der Komposition nur eine ausgesprochen kleine Rolle. Eine interessante Alternative: Ja! Aber eine Neudeutung? - Eher eine Neuschöpfung. Natürlich verlangt schon mein Berufsethos, dass ich mich auch bei solchen Neuinterpretationen einer Figur mit allen meinen Kräften einbringe und mich im Augenblick der Darstellung auch dem Genie eines Regisseurs oder Dirigenten unterordne. Eine Bereicherung für einen selber ist das aber nicht immer. Wenn ein Sänger erst einmal die annährende Verschmelzung von Darstellung, Partie und Musik empfunden hat, möchte er dieser so oft wie möglich nacheifern. Ich spreche hier nicht von Selbstbefriedigung, aber eine künstlerische Begabung ist nicht nur für das Publikum da, sondern auch für den Künstler selber. Nicht von ungefähr reüssieren viele internationale Stars mit der ihnen eigenen Art und überzeugen hier wie dort. Da stimmt es dann eben in allen Bereichen. Beneidenswert!

OF: In mehr traditionellen Bahnen bewegte sich Johannes Reitmeiers Anfang dieses Jahres aus der Taufe gehobene Kaiserslautener Produktion des „Parsifal“, in der Sie den Gurnemanz sangen. Reitmeier schaffte es, Wagners Bühnenweihfestspiel sehr schön, gleichzeitig aber auch ungemein interessant auf die Bühne zu bringen. Wie er die katholische Kirche mit ihrer wissenschaftlichen Gegenwelt, der Psychologie, kollidieren ließ, war sehr wirkungsvoll. Wie fügte sich Ihr Gurnemanz in dieses Konzept ein?

J: Ich bin in den Strukturen der katholischen Kirche aufgewachsen und hatte keine, aber wirklich gar keine Probleme, den Ansatzpunkt von Herrn Reitmeier gestisch und musikalisch nachzuvollziehen.

OF: Die Rolle des Gurnemanz hatten Sie vor cirka 11 Jahren bereits am Badischen Staatstheater Karlsruhe gegeben, wo Sie damals fest engagiert waren. Wie hat Regisseur Thomas Schulte-Michels die Figur damals aufgefasst?

J: Ich habe sehr gerne mit ihm gearbeitet. Er legte sehr viel Verständnis für die Sänger an den Tag und hat mir zu einer unverkrampften Haltung auch großen Partien gegenüber verholfen. Anfänglich konzipierte er den Gurnemanz als eine Art Theaterdirektor, aber gegen Ende hat er sich einer rituelleren Gestaltung hingegeben und fand zur großen Geste zurück. Er verhalf mir schließlich auch zu meinen ersten Erfolgen als Wagner-Sänger, wofür ich ihm heute noch dankbar bin!

OF: Könnten Sie sich vorstellen, auch einmal die Wotane und den Wanderer zu singen?

J: Vorstellen kann ich mir viel, aber ich will meine Stimme nicht in eine bestimmte Richtung zwingen. Wenn ein Dirigent oder Regisseur eher auf meine lyrischen Qualitäten bei diesen Partien setzen würde, wäre das natürlich ideal für mich. Aber das sind seltene Kombinationen. Ich bräuchte auch für die dramatischen Höhenaufschwünge beim „Walküren“-Wotan etwas breitere Tempi, damit ich den Kontakt zu Mittellage und Tiefe nicht verliere. Aus diesem Grunde setzen viele Dirigenten bei dieser Rolle eher auf Baritöne, weil die in dieser Tessitura flexibler sind. Dafür fehlt es diesen indes manchmal an Tiefe und Tiefgang. Ich werde mich jedenfalls nicht an diese Partien wagen, wenn nicht alle Voraussetzungen stimmen. Ich habe so unglaublich gute Sängerdarsteller in diesen Werken hören dürfen, die möchte ich durch ein unausgegorenes Herangehen an den Göttervater nicht verhöhnen. Man muss wenigstens eine realistische Aussicht haben, diesem Maßstab nahe zu kommen.

OF: Vielen Dank für das Interview.

Ludwig Steinbach, 06.04.13                       Fotos: Ludwig Olah

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