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MANFRED HONECK

Zu Beginn der 25. Europa-Tournee des Pittsburgh Symphony Orchestras sprach dessen Musikdirektor MANFRED HONECK in einem sehr persönlichen und ausfühlichen Gespräch mit unserem Redakteur Dirk Schauß.

 

 

 

DS:

Herr Honeck, in Ihren Konzertprogrammen ist mir aufgefallen, dass Sie häufig wiederkehrende Werke interpretieren. So dirigieren Sie häufig von Tschaikowsky die Sinfonien 5 und 6, von Mahler 1 und 5, von Bruckner 7, 8, 9 und eben auch, wie heute in Frankfurt, die 5. Symphonie von Dmitri Schostakowitsch.

Was ist der Grund für die fortwährende Beschäftigung mit diesen Werken?

 

MH:

Das Erarbeiten eines Werkes wird ein Leben lang dauern. Und wenn ich ein Stück dirigiere, dann ist es nur eine Momentaufnahme. Ich habe die Erfahrung gemacht, dass ich, je länger ich ein Stück dirigiere, damit wachse, noch mehr verstehe, noch tiefer damit gehen kann. Dazu mache ich neue Entdeckungen.

 

So erging es mir unlängst mit der 9. Symphonie von Anton Bruckner, die wir gerade mit dem Pittsburgh Symphony Orchestra auf CD aufgenommen haben. Irgendwann, nachdem ich diese Symphonie oft dirigiert hatte, kam mir der Gedanke, dass es im dritten Satz einen engen Zusammenhang mit dem sechsten Teil der lateinischen Messe gibt, dem Agnus Dei. Ich überprüfte das und kam zur Erkenntnis, dass dieser symphonische Satz diesen Teil der Messe als Grundlage hat. Dies lässt sich an vielen Beispielen in der Partitur zeigen. Aber das kam mir erst mit der Erfahrung vieler Aufführungen. Heute interpretiere ich diese Symphonie völlig anders.

 

DS:

Blicken wir auf die Symphonie des heutigen Abends, die 5. Symphonie von Schostakowitsch haben Sie oft dirigiert. Sie sind einer der wenigen Dirigenten, welcher den Mut hat, das Finale im langsamen Tempo zu spielen. Kurt Sanderling erzählte, dass Schostakowitsch sich bei ihm beklagte, dass der Schluss seiner Symphonie zu oft viel zu schnell gespielt wurde. Wie sehen Sie das?

 

MH:

Schostakowitsch war daran nicht unbeteiligt, denn er selbst hat die Metronomzahlen geschrieben. Diese sind für das Finale ursprünglich in einem schnellen Zeitmaß formuliert, was zu großer Verwirrung führte. Und so kam es, dass Bernstein mit den New Yorker Philharmonikern ein extrem schnelles Tempo realisierte. Aber die Russen wussten, was Schostakowitsch meinte. Kurt Sanderling und alle, die mit Schostakowitsch befreundet waren, wussten, dass es anders gemeint war.

Für mich persönlich ist das Finale der Triumph der Persönlichkeit, das ist etwas sehr Wichtiges. Ich verfolge dabei einen ganz persönlichen Ansatz in meiner Interpretation. Mich hat es sehr interessiert, wie Schostakowitsch mit seiner persönlichen Situation umgegangen ist, wie sich sein Leid aufzeigt. Dies zeigt sich vor allem im dritten Satz. Da gibt es drei ausgedehnte Soli-Beiträge von Oboe, Klarinette und Flöte. Sie spielen über einem liegenden Tremolo und dann passiert nichts. Nur eine kleine Antwort in den Streichern. Für mich sind das jene Freunde, stellvertretend, die nach Sibirien geschickt wurden. Schostakowitsch hätte genau dieses Schicksal ereilt, wäre er nicht so klug gewesen, sich zurückzuziehen und zuzugeben, dass er gegen das Sowjet-Regime „gesündigt“ hat. Andere haben das nicht getan und widersprochen. Das wurde mit dem eigenen Leben bezahlt. In den Holzbläsern werden für mich drei Freunde versinnbildlicht. Dazu lasse ich die Streicher am Beginn des Satzes sehr kalt spielen, um das Eis von Sibirien zu imaginieren.

Schostakowitsch schuf ein musikalisches Denkmal an seine Freunde. Das bewegt und berührt mich zutiefst. Im Schluss des finalen Satzes lasse ich die Streicher breit mit Vibrato spielen. So erzählen sie mit großem Ausdruck diesen persönlichen Triumph-Gesang. Schostakowitsch sagt damit, dass er sich nicht unterkriegen lässt. Und wenn man das zu schnell macht, dann wirkt es militärisch, wie ein Marsch.

Besonders an dieser Symphonie wird für mich auch deutlich, dass Schostakowitsch sich mit Mahler beschäftigte. Die Quarte in der Pauke hat sehr viel mit dem Ende der 3. Mahler Symphonie zu tun. Darin schreibt Mahler „mit einem edlen, schönen Ton“. Natürlich hat Mahler immer an das Jenseits gedacht, das ist sehr zu hören. Mahler ist bei Schostakowitsch zu erkennen. Er hatte ja die Symphonien von Mahler studiert. Ich nehme daher auch den zweiten Satz in der Schostakowitsch Symphonie wienerisch, als Ländler und denke dabei auch den zweiten Satz der 1. Mahler Symphonie. Ein ähnlicher Beginn.

 

DS:

Denken Sie einmal daran, wie Teile der Wiener Philharmoniker sich am Anfang gegen die Musik Mahlers stellten.

 

MH:

Das habe ich selbst auch erlebt. Ein älterer Kollege meinte zu mir in meiner Philharmoniker-Zeit, dass Mahler „Kitsch“-Musik sei, etwas für Kurorchester.....

Beethoven war der große König. Er war das Idol für alle Komponisten, wie Brahms und Bruckner. In der Sommerzeit spielten viele Orchestermusiker in Kurorchestern, da gab es die buntesten Arrangements. Und wenn dann eine Mahler-Symphonie Elemente davon aufgreift, in einer Symphonie, etwas, was den Menschen heilig war, dann ist es kein Wunder, dass Mahler da zunächst Ablehnung hinnehmen musste.

 

DS:

Wie war das für Sie als Bratschist bei den Wiener Philharmonikern? Sie haben Mahler-Symphonien unter Bernstein und Maazel gespielt. Gab es da einen Erweckungsmoment, der Sie fühlen ließ, dass Sie die Seiten wechseln wollen?

 

MH:

Innerlich wusste ich schon lange, dass ich Dirigent sein wollte. Diese Signale habe ich zunächst nicht verstanden, da ich den beruflichen Weg des Dirigenten nicht kannte. Ich war glücklich und dankbar, dass ich ein Mitglieder der Philharmoniker sein konnte, zumal ich bereits eine Familie hatte. Das Feuer des Dirigenten loderte dennoch bereits früh in mir.

Nachdem ich das Wiener Jeunesse Orchester gegründet hatte, konnte ich viele Werke ausprobieren. Natürlich kam dann die große Frage bei mir auf, wie es weitergeht. Denn Gastspiel-Urlaub zu erhalten, wurde zunehmend schwerer. Und als Alexander Pereira nach Zürich ging und mich fragte, ob ich dorthin mitgehen möchte, wusste ich, jetzt sind die Würfel gefallen. Also ging ich als 1. Kapellmeister nach Zürich.

 

DS:

Und so kamen Sie sehr schnell und umfassend in den Opernbetrieb. Sie haben dort vorrangig italienische Oper dirigiert?

 

MH:

Ja, es war eine kleine Frechheit von mir. Ich hatte ja nur drei Opern bisher dirigiert (Barbier von Sevilla, Zauberflöte und Fledermaus). Ich musste alles neu lernen und habe viele Fehler gemacht.

Aber, die Leute hatten Vertrauen und Geduld mit mir. Ich bin dafür sehr dankbar. Ich habe wirklich gelernt, wie der Betrieb funktioniert. Wir Dirigenten müssen erst einmal viel Erfahrung sammeln, um überhaupt vor einem Orchester stehen zu können. Und das fehlt heute vielen jungen Dirigenten.

Sie brauchen die Erfahrung, um eine Aussage zu machen. Gustav Mahler hat es ja blendend auf den Punkt gebracht: „Das Wichtigste steht zwischen den Noten.“ Es ist so wichtig, jeden Ton, jede Phrase mit Inhalt zu füllen.

 

DS:

Aber Sie müssen es auch fühlen!

 

MH:

Man soll sich nie mit einem Ergebnis begnügen. Denn es geht immer weiter. Manchmal bietet mir in einer Probe ein Oboist eine Idee an, da muss auch der Honeck sagen, wenn das besser ist, dann nehme ich das.

 

DS:

Sie sind seit elf Jahren Chef-Dirigent in Pittsburgh. Was ist das Besondere zwischen Ihnen und dem Orchester?

 

MH:

Die Chemie muss stimmen! Das Orchester muss wollen und Interesse haben. Das Pittsburgh Symphony Orchestra arbeitet gerne im Detail, sie wollen gefordert werden. Und das ist genau das, was ich mache. Ich gehe ins Detail. Und wenn ein Orchester dazu auch bereit ist, dann kann etwas Großes entstehen. Die Musiker sind mir ans Herz gewachsen. Sie kennen mich, meine Tonsprache, sie kennen meine Schlagtechnik, die sehr viel Freiheit gibt, auf Ausdruck und musikalische Tiefe achtet. Das Orchester bietet so viele Kontraste an und hat eine unglaubliche Energie. Das macht mir ganz große Freude. Das Orchester ist unglaublich europäisch, was wir auch immer wieder in Rezensionen lesen.

Das Pittsburgh Symphony Orchestra ist eines der wenigen amerikanischen Orchester, das europäisch klingt und dabei amerikanisch präzise ist. Der Wille zur Präzision und Klarheit ist immer da. Das Vorwärtsgehen und das Rubato können die Musiker dieses Orchesters unglaublich. Das Exekutieren einer Musik ist das Einfachste, was es gibt. Dagegen wehre ich mich. Lieber ist mir, etwas ist nicht zusammen, aber der Ausdruck stimmt. Ich bin froh und dankbar festzustellen, dass ich meinen Musikern etwas geben kann.

 

DS:

Lieber Herr Honeck, es gibt noch so viel zu sagen. Aber zwei Fragen brennen mir noch auf dem Herzen. Die erste Frage dreht sich um den Glauben. Welche Rolle spielt der Glaube für Sie?

 

MH:

Ich habe im Laufe meines Lebens gelernt, dass ich Gott in den Mittelpunkt meines Lebens stelle! Alles drumherum, ist dann nicht mehr so wichtig. Gott in den Mittelpunkt zu stellen bedeutet, dem Menschen zu dienen. Das verlangt die Schöpfung, wie wir mit dem Menschen umgehen und mit dem, was wir sind. Daher ist Erkenntnis so wichtig und bedeutsam. Dann klären sich Fragen, die das Leben an uns stellt.

Dies ist wieder so spannend bei Gustav Mahler festzustellen, die Frage nach dem Sinn unseres Lebens, wie es nach dem Tode weitergeht. Wie ihn, so beschäftigen mich diese Fragen auch ungemein. Da kommen viele Dinge auf, die einem als Mensch helfen und einen weiterbilden. Eine Persönlichkeit entwickelt sich nicht dadurch, dass man alle Partituren kennt. Wir müssen uns vielmehr selbst erkennen, woher komme ich und wohin gehe ich, dies sind zentrale Fragestellungen für uns.

In unserem Beruf ist etwas völlig verloren gegangen: die Demut! Demut ist etwas so Unpopuläres. Doch was heißt dieses Wort? Mut zum dienen! Und so diene ich Bruckner, Schostakowitsch oder Rachmaninow. Ich habe diese wunderbare Musik nicht geschrieben. Ich bin nur der Diener. Ich stehe nicht im Mittelpunkt, sondern der Komponist. Natürlich ist auch ein schöpferischer Prozess dabei, weil ich gewisse Dinge moduliere oder zum Vorschein bringe.

Ich durfte viele schöne Erfahrungen machen. So wurde ich in Pittsburgh gefragt, ob ich vor dem Konzert bete. Und ja, das mache ich. Und so fragten mich Orchester-Mitglieder, ob sie mit mir gemeinsam beten dürfen. Das war eine so schöne Erfahrung. Menschen kommen dann vor dem Konzert in mein Zimmer. Manchmal sind es drei Personen und manchmal bis zu 40.

Zum Beispiel haben wir das Konzert in Gedenken an den Anschlag auf die jüdische Gemeinde in Pittsburgh vor einem Jahr veranstaltet. Mit den Rabbis und deren Familien hatten wir gemeinsam gebetet. Und dann geht man ganz anders auf die Bühne. Das Gedenken ist so viel intensiver. Es ist ein Geschenk. Es hat große Auswirkungen auf das Musizieren. Durch den Filter des Glaubens die Musik zu betrachten, das sehen wir bei Mahler oder vor allem bei Bruckner realisiert.

 

DS:

Was ist Ihr persönliches Credo?

 

MH:

Ich empfinde mich als Diener als Musik, nur gelingt es mir nicht immer. Die Musik ist heute zu sehr kommerzialisiert. Ich halte mich davon fern, so gut ich kann. Äußerlichkeiten sind mir nicht wichtig. Wichtig ist, dass das Dienen im Vordergrund steht.

Schauen Sie, man muss auch eine gewisse Reife erlangen. Wie lange habe ich gewartet, bis ich Beethoven Symphonien dirigierte! Durch Zeit für intensive Beschäftigung, kann ich viel mehr sagen. Ich will aus dem Kontext der Musik heraus meine musikalische Welt schaffen.

 

DS:

Welches Gipfelwerk möchten Sie unbedingt einmal dirigieren?

 

MH:

Jetzt kommt in der nächsten Saison zum ersten Mal die 8. Symphonie von Mahler. Darauf freue ich mich sehr. Aber auch die Messen von Joseph Haydn finde ich sehr reizvoll, wie z.B. die Nelson-Messe.

 

DS:

Und in der Oper?

 

MH:

Der mit mir befreundete Bariton Matthias Goerne meinte unlängst zu mir, ich müsse unbedingt Wagners „Ring“ machen. Aber das ist ein Unterfangen. Ich konnte mich dazu noch nicht aufraffen.

 

DS:

Es ist auch eine hohe Zeitinvestition!

 

MH:

Oh ja und wenn ich es angehe, dann wird es ein Jahrhundert-Projekt (herzliches Lachen...!)!

Salome wäre aber auch toll, ebenso Elektra.

 

DS:

Ich finde es interessant, dass Sie von Elektra, Rusalka und Jenufa Orchester-Fantasien herausgebracht haben. Woher kommt die Motivation dazu?

 

MH:

Ich liebe diese Opern! Und Rusalka habe ich unter Vaclav Neumann in Wien gespielt. Von diesen Werken gab es bis dato keine symphonischen Fantasien. Ich bin sehr erstaunt, wie gut das alles ankommt und ich werde zunehmend dafür angefragt. Es gibt ja auch Dirigenten, die so etwas kategorisch ablehnten, wie z.B. Claudio Abbado. Aber denken Sie an Richard Strauss, der selbst Suiten seiner eigenen Opern geschaffen hat.

 

Ich habe die Erfahrung gemacht, dass viele Menschen, die diese Orchester-Fassungen hören dann auch das komplette Werk hören wollen. Und das ist doch wunderbar, wenn da ein Sog des Interesses entsteht.

Gegenwärtig arbeite ich an einer Orchester-Fantasie zu Puccinis „Turandot“. Da die Rechte noch zu klären sind, kann es noch bis 2022 dauern, bis die Fantasie dann veröffentlicht werden darf. Ich bin total überwältigt von dieser Musik! In dieser Musik steckt so viel Impressionismus und vor allem Strawinsky. Ich freue mich sehr auf das Ergebnis.

 

DS:

Vielen Dank für das wunderbare Gespräch!

 

 

Dirk Schauß, 14.11.2019

Das Gespräch fand am 25. Oktober statt.

 

DER OPERNFREUND  | opera@e.mail.de