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Meagan MILLER

Gesang war und ist einfach Teil meines Lebens

 Unbenannt
Meagan Miller. Foto: ©Arielle Doneson Corrigan

Die junge amerikanische Sopranistin Meagan Miller war im April an der Wiener Staatsoper in der Titelpartie von Ariadne auf Naxos zu hören, eine Partie, die sie demnächst auch mit der Oper Leipzig in Peking sowie in Warschau verkörpern wird. In der Veranstaltung „Musical meets Opera“ im Ronacher hielt sie ihren Kollegen auf der Bühne die Daumen, im Anschluss ergab sich die Gelegenheit zu einem Gespräch.

 -          Frau Miller, wann haben Sie Ihre Leidenschaft für das Singen entdeckt und wann haben Sie beschlossen, Singen zu Ihrem Beruf zu machen?

 MM: Das ist nicht in einem Satz zu beantworten. Meine Familie war sehr musikalisch, auch meine Brüder haben gesungen und Instrumente gespielt, wir sind aber nie in Konzerte gegangen. Ich habe in der Kirche und in der Schule schon immer im Chor gesungen, Gesang war einfach Teil meines Lebens. Da ich jedoch auch viel geschrieben habe und sehr gut malen und zeichnen konnte, sah ich mich eigentlich als die nächste große amerikanische Schriftstellerin oder Malerin.

In der Band unserer Highschool spielte ich Flöte – sehr schlecht, weil ich nie geübt habe. Eines unserer Stücke war ein sehr gutes Arrangement von Elsas Brautzug, und jedes Mal, wenn wir dem Höhepunkt mit all den Synkopen zusteuerten, habe ich die Flöte überblasen. Zur Aufstiegsprüfung musste ich dann das Thema aus Elsas Brautzug spielen, und nach meinem Vorspiel fragte mich der Bandleiter: „Weißt du eigentlich, dass du ein besonderes musikalisches Talent hast? Dass deine Emotion durch dich geht und in die Musik fließt, wenn du spielst?“ Ich hatte keine Ahnung, was er meinte, ich dachte, das wäre die einzige Möglichkeit, Musik auszuüben. Ich denke nicht „technisch“, sondern ich höre in meinem Kopf, wie die perfekte Ausführung klingen muss.

Ungefähr zur gleichen Zeit sangen wir im Chor „Serenade to Music“ von Ralph Vaughan Williams, ein großes Chorwerk, bei dem fast jeder ein kleines Solo bekam, ich hatte sogar drei Soli. Im Publikum saß Mary Ellen Schauber, eine große Gesangslehrerin, die meine Mutter ansprach: „Ich muss diese Stimme unterrichten!“ Meine Mutter hat mich überredet, und so hatte ich meine ersten Gesangsstunden. Diese Lehrerin war eine großartige Sängerin mit einer schönen Karriere in den USA, ich konnte mich nach ihrem Vorbild entwickeln, denn sie hat mir nicht lediglich das Singen beigebracht, sondern viele Aspekte des Berufs vermittelt. Für einen Liederabend musste ich z.B. einen Liedtext übersetzen und mit Selbstsicherheit vortragen. Sie erklärte mir, wie ich zu stehen hatte, und sogar mein Kleid musste ich von ihr absegnen lassen.

Etwas später konnte ich meine erste Bühnenerfahrung sammeln, wir spielten eine Szene aus „The Old Maid and the Thief“ von Gian Carlo Menotti, ich war Laetitia, die Magd. Dabei hatte ich eine Kadenz mit Trillern, die bis zum hohen d ging. Ich war erst fünfzehn – und wusste nicht, dass das schwierig war, ich habe die Kadenz einfach gesungen. Zudem ist das eine lustige Rolle, mit der ich das Publikum zum Lachen gebracht habe, was mein Interesse an dem Beruf geweckt hat: Die Musik und die Worte zum Klingen zu bringen und dabei das Publikum zu unterhalten. Danach habe ich jedem erzählt, dass ich Sängerin werde, was mir zunächst niemand glaubte, weil ich ja so viele andere Leidenschaften hatte!

Als ich die Highschool abschloss, sprach ich fließend Deutsch, was in den USA nicht sehr häufig vorkommt. Als jüngstes von drei Kindern musste ich aber dieses Fach nehmen, wir hatten ja schon die Schulbücher! Ich habe Deutsche Literatur studiert und kannte das Gedicht „Der Erlkönig“, bevor ich wusste, dass Schubert es vertont hat. Gibt es einen besseren Weg für eine Sängerin meines Fachs?

 - Danach studierten Sie an der Juilliard School of Music?

 MM: Nach der Highschool absolvierte ich ein Bachelorstudium an der Washington and Lee University in Lexington, Western Virginia. Ich bekam ein Stipendium, das mir gestattete, alle Fächer zu inskribieren, die mich interessierten. In dieser Uni sind alle Räume rund um die Uhr geöffnet – man vertraut den Studenten! Einmal brauchte ich in der Nacht eine Pause vom Büffeln für das Physikexamen, ich ging in den Audioraum und sah mir Opern an. Das machte ich öfters, und irgendwann konnte ich die Musikabteilung überreden, selbst eine Oper aufzuführen, also stellten wir Le Nozze di Figaro auf die Bühne, und ich sang meine erste Rolle, die Gräfin.

Nach dem zweiten Jahr konnte ich meine Familie überzeugen, dass ich ein Konservatorium besuchen müsse. Ich wählte die Juilliard School und war mir zunächst nicht bewusst, dass ich bereits eine differenzierte und anspruchsvolle Ausbildung erhalten hatte. An der Juilliard bekam ich mit Cynthia Hoffmann eine sehr gute Lehrerin, die sich jedoch zunächst über mein Stimmfach nicht sicher war, hat sie mich erst mit Liedern beschäftigt, ich habe viele Lieder von Hugo Wolf, Poulenc, Debussy und dem klassischen Deutschen Repertoire gelernt. Interessanterweise freundete ich mich mit einigen Kontrabassisten an, was dahin führte, dass ich das komplette Kammermusikrepertoire für Sopran und Kontrabass aufgeführt habe!

Eine andere Erfahrung von unschätzbarem Wert war ein Fach, in welchem uns zeitgenössische Komponisten jede Woche ein neues Stück aufführungsreif einstudieren ließen, die Komponisten haben uns gecoacht. Als Folge davon waren wir Teil der Neuen Musikszene in New York, ich habe immer nach neuen Kompositionen gesucht. Die Komponisten schrieben gerne für mich, wegen meines Tonumfangs, meines dunkleren Timbres und meiner dynamischen Möglichkeiten. (Anm.:Meagan Miller hat einige speziell für sie komponierte Werke uraufgeführt, z.B. Try Me, Good King: Last Words of the Wives of Henry VIII von Libby Larsen und Four Dickinson Songs von Robert Beaser. Weiters sang sie die Uraufführung von Werken von Thomas Cipullo, Christopher Berg, Russell Platt u. a..)

Ich war übrigens auch Social Chairman vom Studentenwohnheim, wir haben zum Beispiel ein Kaffeehaus gegründet, in welchem jeder auftreten konnte, nicht aber im Hauptfach. Ein Literaturstudent konnte also kein Gedicht vortragen, aber zum Beispiel Saxophon spielen.

 -          Sie haben die MET opera council auditions gewonnen.

 MM: Ja – was für ein langer Titel, der nie auf den Steckbrief passt! (lacht) Diesen Bewerb habe ich während der stressigsten Zeit gewonnen. Man musste natürlich die ganze Woche für Coachings etc. anwesend sein, und sogar das Abschlusskonzert war noch Teil des Wettbewerbs. Man versucht, einen möglichst guten Eindruck zu hinterlassen, weil man natürlich gerne im Youth Program aufgenommen werden möchte. Zur gleichen Zeit gab ich aber Liederabende an der Juillard School und war eben Social Chairman. Außerdem war ich für diese Zeit für eine Produktion von „Entführung“ gebucht, und ich sang Donna Elvira und Donna Anna. Irgendwann konnte ich nur noch heulen, ich war so erschöpft, dass ich nicht einmal mehr die richtigen Töne treffen konnte. Aber ich hab’s durchgestanden, und insgesamt hat mich dieses Kapitel weitergebracht, ich wurde in vielen Zeitschriften promotet und erhielt einen Vertrag von einer Agentur.

Zum MET-Wettbewerb bin ich mit der Arie der Konstanze angetreten, sowie mit der großen Szene aus „Susannah“ von Carlisle Floyd, mit der zumindest mir bekannten größten Orchesterbesetzung. Ich weiß nicht, wie viele andere Werke es gibt, in denen man über den Trommelwirbel einer Snare Drum singen muss!

 -          Besonders in Ihrem Stimmfach ist es für eine junge Sängerin nicht einfach, eine Karriere zu gestalten, besonders in den Opern von Richard Strauss gibt es Partien, die Sängerinnen nicht zu früh übernehmen sollten – wie entscheiden Sie, wann die Stimme reif für eine Rolle ist?

 MM: Nun, zunächst wusste niemand so recht, was ich singen sollte. Am Anfang meiner Karriere wurde ich nicht in meinem ureigensten Stimmfach, sondern im lyrischen Repertoire eingesetzt. Es gab nur sehr wenige Häuser, die mich für eine Desdemona engagierten, damals eine sehr gute Partie für mich, oder die Marguerite in Faust oder Fiordiligi etc. Ständig wurde ich als Lucia, Traviata oder Konstanze besetzt, und ich habe schon mit meinen Freunden scherzhaft gewettet: Wenn ich bei Vorsingen das hohe Es der Traviata oder der Manon sang, bekam ich ein Engagement.

Ich wurde also auf den Repertoirekurs einer Joan Sutherland gelenkt, mit Norma und den großen Belcanto Partien. Aber ich wollte üppige Harmonien, quasi die opernhafte Fortführung der Liederwelt, ich mochte Belcanto nicht so besonders. Die Musik dieser Zeit hat mich nicht besonders inspiriert. Mozart ist etwas anderes, in dieser schlichten Musik gibt es immer wieder Harmoniewechsel, die ebenso erfüllend sind wie diese Saftigkeit von Richard Strauss.

Mozart singe ich nach wie vor gerne, auch wenn es schwierig ist, die anderen Partien um mich herum zu besetzen. An der MET sucht man für Mozart wesentlich leichtere Stimmen! Aber immerhin habe ich in den letzten beiden Jahren habe ich ein paar Mozartopern gesungen.

Mittlerweile bin ich im genau richtigen Alter für mein Repertoire, ich möchte mir allerdings meine Stimme so leicht und rein wie möglich erhalten, ich möchte meine Karriere nicht als Turandot, sondern als Marschallin beenden, mit der Reife der Interpretation, aber dennoch der Fülle des gesanglich differenzierten Ausdrucks, und nicht einfach die Töne hinaustrompeten.

Interessanterweise weisen die Rollen, die zu mir passen, eine gewisse Unschuld oder einen Optimismus auf. Meine Stimme hat, obwohl sie nicht hell timbriert ist, einen gewissen positiven Klang, finde ich. Tosca würde ich zum Beispiel gerne singen, aber ich weiß nicht, ob ich einen Tosca bin! Fanciulla del West ist eine andere Sache, in dieser Rolle ist eine Energie und Vitalität, die gut zu mir passt, und das ist etwas, wonach ich bei einer Partie suche.

Wenn ich nun überprüfe, ob eine neue Partie für mich geeignet ist, singe ich ein paar Stellen an. Es gibt lange anstrengende Partien, die aber zu mir passen, dann finde ich sie nicht ermüdend. Ich suche nach Stellen, bei denen die Stimme schweben kann, Stellen, die ich so leise wie möglich singen kann. Demnächst singe ich in Cappriccio, die Oper enthält genau jene Gesangslinien, nach denen ich suche, mit Spannkraft und Süße, die ich immer versuche, auszugleichen. Gedanken, ob man mich hört, mache ich mir kaum,aber ich muss in der Lage sein, die Worte mit der Emotion der Phrase übermitteln zu können, ohne mich sorgen zu müssen, übers Orchester drüberzukommen. Strauss passt da interessanterweise besser zu mir als Wagner, bei Strauss kann ich von Phrase zu Phrase quasi tanzen, während mir bei Wagner manchmal die Längen der Noten aktiv bewusst werden. Es ist natürlich ein Vorurteil, dass Wagner generell laut ist, aber manchmal hat er diesen breiten Orchesterklang, bei dem man die silbische Betonung der Musik nicht mehr so gut wahrnimmt. Es gibt Wagnerpartien, die gut zu mir passen, aber insgesamt muss ich bei diesem Komponisten etwas restriktiver sein als bei Strauss.

 -          Aus der Zeit heraus, in der die Opern entstanden sind, gibt es besonders einige Sopranpartien, die nicht mehr ganz dem heutigen Frauenbild entsprechen. Wie legen Sie diese Partien an?

 MM: Natürlich hat sich viel in punkto Bildung geändert, die für Frauen zugänglich ist. Ich finde dennoch, dass Frauen zu jeder Zeit sowohl emanzipiert als auch eingezwängt und abhängig waren – das sind wir ja heute noch! Die Opern wurden von Männern komponiert, aber viele dieser Männer haben die Frauen sehr gut verstanden. Bei Strauss bin ich mir nicht sicher, ob er Frauen wirklich verstanden hat, er war aber mit Sicherheit fasziniert von ihnen.

Meiner Meinung nach befindet sich jede Frau in jeder Situation in einer Art Schachtel, die je nach Gegebenheit unterschiedlich groß ist. Die Frage für mich ist nicht, ob Frauen weniger in der Lage waren, ihre Gedanken auszudrücken, sondern wie sie sich in ihrer Lage verhalten, wie sie sich in ihrer Schachtel bewegen.

Desdemona wird zum Beispiel gerne als Dummchen gesehen – warum spricht sie ständig von Cassio, ist ihr nicht klar, dass sie damit in ihr Unglück rennt? Aber, mit Otello verheiratet zu sein, spricht für mich für ihren Mut; Im Liebesduett zeigt sie, dass sie nicht nur von seinem Leid und seiner Sanftheit fasziniert ist, sondern ebenso von seiner Kriegernatur. Sie ist keine dumme Gans, sondern ich denke, sie trifft sehr bewusste Entscheidungen. Nicht, weil sie die Ereignisse nicht durchschaut, sondern weil sie beschließt, dass der einzige Weg, diese Beziehung aufrecht zu erhalten, jener der Liebe und des Vertrauens ist. Welche andere Wahl hat sie denn, soll sie Otello anzuschreien oder darauf bestehen, dass er sich ändert? Oder ist es sinnvoller, ihr Herz anzubieten, was offenbar bisher funktioniert hat?

Oder die Gräfin in Le Nozze di Figaro, was sind ihre Möglichkeiten? Sie verfügt über eine sehr kleine Schachtel, ihre Aussichten waren schon im Barbier von Sevilla nicht rosig, und sie hat dort viele Brücken abgebrochen. Sie ist eigentlich eine sehr glücklose Person mit einem pfeffrigen Temperament. Und nun hängt ihre ganze Welt davon ab, dass der Graf sein Interesse an ihr nicht verliert. Sie kann also in ihrer Schachtel spielen, sie kann Cherubino bemerken, und sie kann die gewiefte Figur sein, mit der jeder im Raum mitfühlt – und das kann sie nützen. Und im Ende behält sie die Oberhand – zumindest für diesmal!

Auf diese Art gehe ich an die Gestaltung einer Partie – ich befinde mich ja selbst in einer Art Schachtel, die vielleicht ein bisschen größer ist, aber ich kann zum Beispiel nicht kontrollieren, wer mich engagiert!

 -          Zu einem ganz anderen Thema, einer persönlichen Frage: Können Sie uns beschreiben, was in den letzten Minuten vor einer Aufführung in Ihnen vorgeht und was, wenn Sie auf der Bühne stehen?

 MM: Alles hängt davon ab, wie gut vorbereitet ich mich fühle und wie viele Dinge schief gehen können, die ich nicht kontrollieren kann. Wenn es mir bei den Probenarbeit gut ging und ich fühle, ich habe die für mich notwendige emotionale und musikalische Arbeit geleistet, dann bin ich normalerweise positiv aufgeregt und ich kann es nicht erwarten, dem Publikum zu zeigen, was mich an der Partie oder an dieser einen Phrase so begeistert. Das ist eine sehr positive Erfahrung.

Wenn es mir nicht so gut geht, ich mich zum Beispiel nicht optimal vorbereitet fühle oder wenn es einen Wechsel in der Besetzung oder des Dirigenten gab, oder wenn es zuwenig Proben gab oder, oder, oder, dann bin ich wirklich nervös und ich arbeite hart daran, mich zu beruhigen. Da hilft mir ein kleiner Trick: Ich versuche, mich zum Gähnen zu bringen. Das lässt mich zum einen tief einatmen, und zum anderen signalisiert es dem Körper, zu entspannen.

Auf der Bühne kippt jedoch ein Schalter und ich falle in eine tiefe Konzentration, die wahrscheinlich von meiner Verantwortung gegenüber dem Publikum herrührt. Ich fühle das Bedürfnis, etwas Fantastisches zu präsentieren. In meiner Konzentration bin ich aber dennoch offen für die momentan Situation, die mir erlaubt, spontane situative Änderungen in der Aufführung einzubauen. In der letzten Aufführung der Adiane musste ich etwas länger auf das Erscheinen von Bacchus warten, also habe ich mich weiter gedreht und bin dann richtig mädchenhaft und ausgelassen geworden. Das machte meine Transformation von der Primadonna, von der traurigen, bestimmten Frau zur Ariadne, die zu lieben bereit ist, viel tiefgehender. Wenn ich mich wohlfühle und genügend entspannt, um diese Momente geschehen lassen zu können, dann sind das die ultimativen Erlebnisse. Das sind vielleicht nicht die besten gesanglichen Aufführungen, aber die Interpretation wirkt frisch und neu.

Und dann gibt es Aufführungen, in denen gar nichts von alledem passiert und ich gebe mein Bestes, die richtigen Noten zur richtigen Zeit zu singen. Ich bin immer sehr traurig, wenn das eintrifft, und ich versuche dann immer darauf zu vertrauen, dass ich in der Vorbereitung bereits so viel automatisiert und in die Gestaltung eingebaut habe, dass ich wenigstens alle Nuancen, alle Gefühle herausarbeiten und übermitteln kann.

 -          Wie beeinflussen Sie in dieser Hinsicht neue Rollen oder Hausdebüts?

 MM: Es ist überwältigend, aber sehr anstrengend, diese vielen neuen Informationen zu integrieren, aber wer weiß, vielleicht hält das mein Gehirn länger aktiv! Seit 2009 singe ich fast ständig entweder neue Partien oder habe Hausdebüts. Wenn es eine neue Produktion ist, dann gibt es natürlich eine angemessene Anzahl an Proben. Daphne war beispielsweise eine sehr gut geprobte Wiederaufnahme. Es gab zum Glück nur sehr wenige Produktionen mit einer kurzen Probenzeit, ich bin mir bewusst, dass ich etwas verwöhnt bin. Ich freue mich schon sehr darauf, Partien wieder aufzugreifen, es war so schön, nach fünf Jahren wieder Ariadne singen, zu den vertrauten Noten zurückzukehren. Ich liebe die Herausforderung, aber ich singe am besten, wenn ich die Zeit hatte, Dinge zu verinnerlichen. Bei meinem MET-Debüt als Kaiserin in Frau ohne Schatten war ich nur Zweitbesetzung, war also nicht bei allen Proben. Aber ich wusste, was ich für ein Gefühl der optimalen Vorbereitung brauche,  und ich habe mir in Bezug auf Charakter und Gestaltung viel selbst erarbeitet. Aber dieses Gefühl, genau zu wissen, was ich mache, musste ich erreichen, ansonsten wäre ich in tiefe Panik geraten!

 -          Wie studieren Sie neue Rolle ein?

 MM: Da habe ich einen ziemlich genauen Ablauf, als erstes übersetze ich den Text, und dann kommt ein Teil, den ich die emotionale Arbeit nenne, ein Prozess der freien Assoziation. Ich spreche die Worte, den Rhythmus, spiele ein paar Akkorde, denke über die Geschichte nach und begrüße jede Assoziation, selbst wenn sie total verrückt oder gar widersprüchlich ist. Im nächsten Schritt führe ich diese Assoziationen so weit fort wie nur möglich, ich springe im Zimmer herum oder hämmere etwas auf dem Klavier oder stelle mir Verbindungen zu anderen Werken vor. In manchen Noten habe ich fünf Übersetzungen zu einem einzigen deutschen Wort, um alle möglichen Schattierungen verfügbar zu haben. Wenn ich dieses Stadium abgeschlossen habe, habe ich bereits eine konkrete Vorstellung, wie ich den Text transportieren möchte, und zu diesem Zeitpunkt kann ich manchmal sogar bereits den Text auswendig, denn wir reden hier von einem Zeitraum über mehrere Wochen.

Danach beginnt die musikalische Arbeit, da arbeite ich mit einem Pianisten und höre mir Aufnahmen an, um ein Gefühl für die Orchestrierung zu bekommen. Irgendwie weiß ich, dass ich auf dem richtigen Weg bin, wenn ich mit den Interpretationen aller anderen Sängerinnen nicht übereinstimme. (lacht) Das einzige Problem: Wenn ich zu den Proben komme, werden all meine Ideen gleich verworfen; Natürlich gibt es viele sehr beschäftigte Sänger, die sich ihre Rolle nicht in der gleichen intensiven Weise angeeignen, sie wissen ja, dass eigene Ideen oft nicht angenommen werden, weil sie nicht in das Konzept des Regisseurs passen. Ich behalte meinen Ablauf dennoch bei.

Wenn mir etwas gesanglich Schwierigkeiten bereitet, suche ich Hilfe bei einem Gesangslehrer. Wenn ich gerade in einer Stadt bin, in der ich einen Lehrer gut kenne, nehme ich noch regelmäßig Gesangsstunden, in Wien war ich immer wieder bei KS Hilde Zadek! Ruth Falcon, meine Lehrerin in New York, hat auf der Bühne das gleiche Repertoire gesungen und kennt die Stücke daher sehr gut. Von ihr bekomme ich auch sehr gute Ratschläge wie  z.B.: „Hier musst du die Konsonanten richtiggehend ausspucken, sonst wird man dich nicht verstehen, denn hier spielt das Horn mit dir!“

Interessanterweise lerne ich Strauss-Partien viel schneller. Ich versuche, diesen idealen Klang auszuführen, den ich in meinem Kopf habe, den ich vielleicht nie erreiche, oder vielleicht erst in fünf Jahren. Wagner oder Korngold sind viel schwieriger für mich! Es kommt auch auf die Sprache an, für Tschechische oder Russisch brauche ich viel länger, wenn ich mir bei der Aussprache nicht sicher bin, braucht es mehr Zeit. Italienisch und Französisch hingegen sind mir sehr vertraut. Ich habe sogar schon Lieder auf Koreanisch gesungen, diese Sprache ist einfacher zu singen!

-          Welche Musiksprache liegt Ihnen?

 Ich bin prinzipiell sehr flexibel, und wenn ich das Gefühl habe, dass ein Stück ein gutes Beispiel für sein Genre ist, dann mag ich es, auch wenn es zum Beispiel Popmusik ist. Ich verehre Bach, leider habe von ihm außer „Bist du bei mir“ noch nichts gesungen, ich wurde nie danach gefragt. Ich mag auch Händel sehr gerne, von dem ich bisher nur Messias gesungen habe. Es gibt Momente, in denen ich nur Barockmusik hören möchte.

Und dann erinnere ich mich, als ich Motetten gesungen habe, an dieses beeindruckende Gefühl, wenn sich die erweiterten Harmonien gegeneinander gerieben haben.

Überhaupt sprechen mich Harmonien stärker an als Melodien, und Rhythmus ist mir sehr wichtig. Vielleicht werde ich deshalb mit Belcanto nicht so warm, weil ich das Gefühl habe, dass der Puls so oft angehalten wird, während ich bei Puccini schon im Voraus spüre, wann der hohe Ton kommt. Aber – Schönheit gibt es überall!

 -          Frau Miller, vielen Dank für das Gespräch!

 

Renate Publik 21.7.14

Dank an MERKER-online (Gespräch fand im Mai 2014 statt)

 

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