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stadttheater-aschaffenburg.de            

               

Als die Franzosen 1792 Mainz annektiert hatten, verlegte das Erzbistum Mainz seinen Hof nach Aschaffenburg; dort wurde bald ein Theater gebaut, das 1811 eröffnet wurde: ein klassizistischer Saal im Stil der Zeit mit Parkettrang und zwei Balkons mit gut 400 Zuschauerplätzen. Nach den Zerstörungen des zweiten Weltkriegs blieb nur noch der alte, nun sehr schön hergerichtete Zuschauerraum übrig, der heute von einer modernn Struktur umbaut ist. Aschaffenburg empfängt als Gastspieltheater Ensembles aus dem ganzen Land, auch freie Spielgruppen aus Aschaffenburg selbst.

 

 

 

 


Franz von Suppés

Der Teufel auf Erden

besuchte Vorstellung: 19.06.2019

Teuflisches am bayerischen Untermain

 

Lieber Opernfreund-Freund,

 die Geschichte des Stadttheaters Aschaffenburg reicht über 200 Jahre zurück. Der vormalige Mainzer Erzbischof Karl Theodor von Dalberg hatte aufgrund der Belagerung durch die französischen Revolutionstruppen den Mainzer Hofstaat verlassen müssen und sich 1792 an seinem ehemaligen Nebensitz Aschaffenburg niedergelassen. Somit musste auch höfische Kurzweil an den Untermain und das Theater wurde 1811 eröffnet. Schon drei Jahre später aber fällt Aschaffenburg ans Königreich Bayern und das Theater verliert damit sein Publikum, wird 1851 Stadttheater und nach wechselvoller Geschichte ab 1948 als reines Gastspieltheater betrieben. Mit der Eröffnung der Stadthalle Aschaffenburg in den 1980er Jahren werden die Gelegenheiten, im Stadttheater, das 2011 letztmals aufwändig saniert wurde, ohne seinen historischen anmutenden Zuschauerraum zu verlieren, Musiktheater zu erleben, immer seltener. Umso mehr freue ich mich, Ihnen heute vom Gastspiel des Theaters Chemnitz zu berichten, das auf den Brettern am bayerischen Untermain gerade Franz von Suppés fantastisch-burleske Operette Der Teufel auf Erden zeigt.

Das Werk des Komponisten mit den – aufgrund des französisch anmutenden Namens nicht vermuteten – kroatischen Wurzeln war 1878 in Wien uraufgeführt worden, hatte sich aber trotz des Premierenerfolgs nicht auf den Bühnen behauptet und erzählt die folgende Geschichte: Die Hölle platzt aus allen Nähten, kein Mensch will mehr in den Himmel und ausgerechnet jetzt ist der Höllenfürst nicht da, scheint von einer seiner Reisen auf die Erde nicht zurückgekehrt zu sein. Also wird Höllenknecht Ruprecht beauftragt, ihm durch die Jahrhunderte hinterher zu reisen, um ihn in die Unterwelt zurück zu holen. Auf seinen Reisen macht Ruprecht Station in einem Nonnenkloster im 17. Jahrhundert, zweihundert Jahre später in einer Kaserne und schließlich in einer Tanzschule, in der man sich auf den Opernball vorbereitet. Doch das ist nur die halbe Geschichte, denn man hat sich in Chemnitz dazu entschlossen, sämtliche Texte umzuschreiben und das 4. Bild in eine Tanzschule unserer Zeit zu verlegen – und das ist nicht immer geglückt. Die gesprochenen Passagen sind überbordend und nicht immer von dem beißenden, zündenden Witz, den ein gelungenes Operettenwerk ausmacht. Das Verhältnis von Gesprochenem zum Gesungenem lässt vor allem im Klosterakt eher an ein Schauspiel mit ein, zwei Musiknummern als an eine Operette denken und der moralische Zeigefinger, der in der Tanzschule proklamieren lässt, dass doch in jedem ein kleiner Teufel steckt, weil sich die jungen Leute ja heutzutage nur noch mit sich selbst und den Handy beschäftigen, ist mir auch ein wenig zu präsent. Ersteres mag daran liegen, dass Alexander Kuchinka von Schauspiel kommt und nicht vom Musiktheater. Kürzere Spielparts hätten der Modernisierung jedoch sicher gut getan und zum Erzählen der Geschichte auch genügt.

Hinrich Horstkotte stimmt in den teils biederen Grundton des Textes immer wieder mit ein, bleibt oft zu wenig frech, auch wenn dem Regisseur tolle Bilder gelingen. Im Prolog kann man unter den Hölleninsassen neben Walter Ulbricht und Margret Honecker auch Frauke Petri entdecken, seine Bühnenaufbauten sind wie gemacht für das kleine Aschaffenburger Theater und die ebenfalls von Horstkotte entworfenen Kostüme sind detailverliebt und ein wahrer Augenschmaus, so dass der Opernball, bei dem sich tanzende Teufel unter das Treiben mischen, zum optischen Höhepunkt des Abends entwickelt. Doch Horstkotte überfrachtet die Szenen mit allerhand Choreographie, kaum eine Arie, die nicht durch Tanzschritte, synchron ausgeführtes Armeschwenken oder rhythmische Bewegungen „aufgemotzt“ wird. Da wäre weniger mehr gewesen. Toll gelungen sind hingegen die Kinderballetteinlagen durch Schülerinnen und Schüler der Opernballettschule, die vor allem in den Vorspielen für Leben auf der Bühne sorgen (hier ist vor dem 3. Bild zusätzlich die Ouvertüre zu von Suppés Frau Meisterin zu hören). Szenisch ist es also ein ein wenig durchwachsener Abend, während die musikalische Seite keine Wünsche offen lässt.

Von Suppé hat zur Geschichte einen bunten Reigen an Walzern, Polkas und Märschen mit eingängigen Melodien ersonnen , die die Robert-Schumann-Philharmonie unter der Leitung des jungen Dirigenten Jakob Brenner voller Verve und Esprit präsentiert. Da ist es um so bedauerlicher, dass die langen Sprechpassagen der Musik immer wieder den Fluss nehmen. Die Damen und Herren des Opernchores singen exzellent und fein aufeinander abgestimmt. Stefan Bilz hat sie betreut. Alexander Kuchinka überzeugt mich in der Rolle des Ruprecht weit mehr als als Librettotexter, mimt den Höllenknecht voller Leidenschaft und mit sichtbarer Spielfreude. Matthias Winter gibt jovial seinen harmoniesüchtigen Gegenspieler, den Engel Rupert. Kammersängerin Dagmar Schellenberger ist eine herrlich durchtrieben und bigotte Äbtissin, während Matthias Otte als Höllen- bzw. Klosterpförtner, Vizeleutnant und Ballorganisator nicht nur seine enorme Wandlungsfähigkeit, sondern auch sein komödiantisches Talent unter Beweis stellt. Letzteres hat auch der junge Tenor Reto Rosin im Überfluss, singt und spielt engagiert den Reinhart/Reinwald/Reiner in den drei Akten, auch wenn er sich mitunter mit den Höhen ein wenig abmühen muss. Bariton Andreas Beinhauer stellt als die drei Burschen Isidor, Isbert und Ismail seinen klangschönen, samtweichen und farbenprächtigen Bariton gerne zur Schau, während Sylvia Rena Ziegler als Isabella, Isolde und Iska überzeugt. Marie Hänsels beweglicher, klarer Sopran prädestiniert sie gerade zu für die neugierige Amanda, die scheue Amalia und die selbstverliebte Amira, klanglich herrlich ungestüm und optisch eine Wucht ist der Oberst Donnersbach des aus Wien stammenden Gerhard Ernst, der seit mehr als 50 Jahren auf der Bühne steht.

Das Publikum ist nach fast dreieinhalb Stunden begeistert und applaudiert lang anhaltend und mehr als herzlich. Auch ich freue mich über den Musiktheaterabend in historischer Kulisse, hätte mir – gerade von einer umgearbeiteten, aktualisierten – Operette jedoch eine frechere Umsetzung und ein wenig mehr Dampf gewünscht. Der herrlichen Musik hätte das geholfen, ihren Esprit besser zu entfalten.

 

Ihr Jochen Rüth 20.06.2019

Die Fotos stammen von Nasser Hashemi.

 

 

 

 

Gastspiel des Mainfrankentheaters Würzburg

LA GAZZA LADRA / Die diebische Elster

Aufführung am 16.05.2014                     (Premiere in Würzburg am 15.02.14)

Betuliches Biedermeier mit Märchenzauber 

Rossini bezeichnet seine Oper als melodramma, also italienisch allgemein für Oper. Sie gehört aber zur Gattung der opera semiseria, welche dadurch gekennzeichnet ist, dass in die historische ernste Handlung komische Elemente eingefügt werden: Personen aus dem alltäglichen Leben mit ihren Sorgen, Freuden und Nöten und auch buffoneske Episoden. Die semiserie sind in einer pastoralen Umgebung angesiedelt und spielen mit einem gewissen Zeitbezug. Die Stoffe beleuchten zwar Gesellschaftsbilder kritisch und ironisch, sind aber nicht sozialkritisch wie die späteren veristischen Opern, die in einem ähnlichen Milieu spielen. 

Giulia Bocato (Ninetta); Joshua Whitener (Giannnetto); Barabara Schöller (Lucia); Ji-Su Park (Pächter); Mitglieder des Opernchors

La gazza ladra beruht auf einer wahren Begebenheit am Ende der  napoleonischen Kriege. Ein Dienstmädchen hatte ihre Herrschaft bestohlen und wurde dafür mit dem Tode bestraft. Der Stoff wurde in dem Melodram „La pie voleuse ou La Servante de Palaiseau“ der Autoren Théodore Baudouin d‘Aubigny und Louis-Charles Caigniez verarbeitet und kam 1815 zur Uraufführung. Giovanni Gherardini machte daraus ein Libretto für Rossinis Oper, die 1817 an der Mailänder Scala uraufgeführt wurde. Also schon damals ein französischer Stoff für die ital. Oper des 19. Jhdts.! In diesen Stücken kommt es nicht zur Hinrichtung des Dienstmädchens, weil der gestohlene silberne Löffel in letzter Sekunde im Nest einer Elster entdeckt wird. Um die drei Hauptpersonen des Stücks, das Dienstmädchens Ninetta, den Bürgermeister Gottardo (bietet dem Dienstmädchen Begünstigungen im Gegenzug für Liebesdienste an) und den aus dem Krieg heimkehrenden Gianetto, den Verlobten Ninettas, sind mit den Eltern Gianettos, Gutspächter im Dorf, und dem Vater des Mädchens, der von der Armee desertiert ist, die weiteren Personen angeordnet. Dazu gibt es noch den fliegenden Händler Isacco, den Kerkermeister, einen Bauernburschen, den Richter, den Amtsdiener und natürlich ... die Elster.  Unschwer lässt sich aus diesem Tableau die typische zentrale Personenkonstellation der italienischen Oper herauslesen: das Liebespaar und der böse Gegenspieler. 

Daniel Fiolka (Fernando Villabella, Ninettas Vater); Ninetta

Mit diesen vielen Personen, zu denen sich noch der Chor der Dorfbewohner fügt, lassen sich treffliche Charakterzeichnungen gestalten und das soziale Umfeld der Dorfgemeinschaft beleuchten. Das ist aber nicht das Ziel des Regisseurs Andreas Beuermann. Aus Scherz, Satire, Ironie und tieferer Bedeutung wählt er nur ein wenig Scherz und Ironie aus, dazu eine pastorale Idylle zum Rührstück aufgemischt. Als Spielort wählt er ein Weindorf mit Fachwerkhäuschen, Rathaus und klassizistischer Kirche vor dem Prospekt eines Weinbergs mit senkrecht aufsteigenden Rebgassen. Herbert Buckmiller hat ihm dieses sehr funktionelle Einheitsbühnenbild mit viel Liebe zum Detail erstellt. Um die Lauschigkeit des Dorfplatzes zu erhöhen, wird noch ein hübscher Hag heruntergelassen. In diese märchenhafte Umgebung setzt die Regie die Protagonisten mit funktionellen Kostümen des frühen Biedermeier und den etwa 20-köpfigen Chor als Dorfgemeinschaft in überhöhten Kostümen wie eine Märchengesellschaft: mit großer Detailfreudigkeit entworfen von Götz Lanzelot Fischer. Da kommt schon etwas zusammen an Figuren: der versoffene Kerkermeister mit einem Riesen-Tschako der Epoche, der fette Pastor; beide mit Weinnase; der eitle, adrett gekleidete Amtsdiener, die Matronen des Dorfes unter großen weißen Hauben. Da der Chor auf der kleinen Bühne des Theaters nicht allzu viele Bewegungsmöglichkeiten hat, kann man sich umso mehr an der Pracht der Kostüme sattsehen. 

Joshua Whitener (Giannetto); Giulia Bolcato (Ninetta); Barbara Schöller (Lucia)

Die Elster wird schon zur Ouvertüre getanzt und bewegt sich leichtfüßig und flügelschlagend über die Bühne. Dazu wird zum inszenierten Vorspiel eine Beerdigungsszene aufgeführt: schwarze Gestalten tragen nächtens einen Sarg aus der Kirche und gehen mit ihm nach hinten ab (Es ist noch Krieg.). Die Thematik dieser schwarzen Gestalten wird später zur Gerichtsszene noch einmal aufgenommen, als sich die Männer der Dorfgemeinschaft plötzlich in die Geschworenen verwandeln: eine finstere geheimbündlerische Gesellschaft. Irgendwie soll hier dem Gesetz Genüge getan werden, wenn auch nur in einem Indizienprozess. Diese beiden finsteren Szenen fallen aus dem Rahmen des Heiteren, dem sich die Regie unprätentiös verschrieben hat. Dazu gehört, dass der Kerkermeister die verhaftete Ninetta auf Geheiß des Dorfschulten zu einem Tête-à-tête mit letzterem herauslässt oder dass das Kruzifix, das der Pope der Ninetta überlässt, in Wirklichkeit ein Schlüsselbund ist, mit welchem sie ihren Käfig aufschließen kann. Diesen hatte man flugs noch auf den Dorfplatz gestellt. Auch aus der Szene, in welcher der Podestà Ninetta zum Liebesdienst erpressen will, saugt die Regie kein Blut, sondern das sieht sich ganz nett an: er macht ganz artig einen unartigen Vorschlag und sie entwindet sich nonchalant diesem Ansinnen. In dieser Form ist das melodramma für Kinder ab sechs Jahren freizugeben. Der Zuschauer hat zu keiner Zeit den Eindruck, dass hier etwas schieflaufen könnte. Die Produktion des Mainfrankentheaters in Würzburg ist in ein mainfränkisches Dorf verortet, was natürlich in Aschaffenburg mit den nahen Weinbergen am Hahnenkamm genauso gut ankommt. Der reiche Pächter betreibt eine Straußwirtschaft. So gibt es hier wie da den Schuss Lokalkolorit in dieser gefälligen und in sich gut gemachten Inszenierung, die keine Langeweile aufkommen lässt, obwohl allein der erste Akt eindreiviertel Stunden dauert (reine Spielzeit insgesamt: zweidreiviertel Stunden.) 

Etwa 35 Musiker des Philharmonischen Orchesters Würzburg drängten sich im kleinen Graben des Theaters, dessen trockene Akustik durchaus nicht unproblematisch ist. Insgesamt hätte man nach Geschmack Ihres Kritikers die Lautstärke etwas zurücknehmen und einen etwas intimeren Klang pflegen können. Die Ouvertüre der Gazza mit ihrem charakteristischen Trommelwirbel ist eines der beliebtesten Stücke Rossinis für Wunschkonzerte und Kurparkmuscheln; deren Themen werden im zweiten Akt wieder aufgenommen und erzeugen eine gewisse wiedererkennende Behaglichkeit beim Zuhörer. Frank Sodemann, Kapellmeister und Solorepetitor des Orchesters  am Pult hatte zunächst Schwierigkeiten mit der richtigen Klangbalance (15 Bläser!) und der Koordination zwischen Graben und Bühne. Aber dann spielte sich das Orchester mit schön ausdifferenzierten Tempi  und mitreißender Dynamik in den richtigen Rossini-Klang hinein, die orchestralen Bögen wurden konsistenter, und es gelangen die (in dieser Partitur nicht so zahlreichen) rassigen Stretten. Der von Michael Clark einstudierte Chor machte seine Sache gut, wobei die Damen einen homogeneren Klang erzeugten. 

Giulia Bolcato (Ninetta); Sonja Koppelhuber (Pippo)

Zwölf Solistenrollen sind in der Oper zu besetzen. Das Mainfrankentheater Würzburg hatte eine recht junge Truppe mit guter Textverständlichkeit aufgeboten. Szenisch dominant ist die Figur der Ninetta, die an diesem Abend mit der italienischen Gästin Giulia Bolcato besetzt war, einer Sängerin von erfrischender Bühnenerscheinung und Spielfreude mit einem kräftigen, klaren, koloratursicheren  lyrischen Sopran: in der Höhe allerdings klang sie nicht frei und neigte zur Schärfe. Ihren Verlobten Gianetto sang Joshua Whitener mit kraftvollem, nicht zu hellem Tenor, einer ausdrucksvollen Mittellage, gekonnten Koloraturen und hellen klaren Spitzentönen, die - wiewohl nicht ganz unangestrengt - doch frei und klangschön kamen. Johan F. Kirsten gab mit verlässlichem rundem und koloratursicherem Bass den Podestà Gottardo. Den Pächter Fabrizio Vingrado sang Ji-Su Park  mit kernig-trockenem Bass und zurückhaltendem Spiel. Seine Ehefrau Lucia (sie hat den Diebstahl des Löffels angezeigt und Ninetta verdächtigt) gab Barbara Schöller mit schlankem Mezzo von schönem Schmelz (und angeklebter spitzer Nase). Die beste gesangliche und schauspielerische Leistung konnte man an diesem Abend Sonja Koppelhuber attestieren, die die Hosenrolle des Pippo übernommen hatte, des Bauernburschen, der den guten Geist des Stücks ausmacht. Ihre samtige, farbenreiche und gut fokussierte Stimme reichte von tiefgründigen fast virilen Tiefen eines Alts bis zu Mezzo-Höhen von betörendem Schmelz; dabei spielte sie den Burschen mit Hingabe und gestaltete ihr anrührendes Duett mit Ninetta zu einem Höhepunkt des Abends. Der Deserteur Fernando Villabella, Ninettas Vater, der selbstredend am Schluss der Oper per Dekret begnadigt wird, wurde durch Daniel Fiolka verkörpert; sein Bassbariton weist markante Tiefen aus; sein Spiel überzeugte. Isacco, den jüdischen Hökerer, sang Fabian Christen mit gekünsteltem Charaktertenor, den ewig am Flachmann hängenden Kerkermeister Antonio verkörperte Kenneth Beal vom Chor mit Hingabe. Mit weiteren  Chorsolisten waren die Rollen  des korrekten Amtsdieners Giorgio (David Hieronimi) und des Richters (Hyeong-Joon Ha) verlässlich besetzt. Durch die Aufführung geisterte immer wieder der getanzte Riesenvogel, an diesem Abend Andrew Grant

Das kleine Aschaffenburger Theater war an diesem Abend nicht gut besetzt. Aber es gab herzlichen Beifall. 

Manfred Langer, 18.05.2014                              Fotos: Falk von Traubenberg

 

Die Besprechung der Aufführung vom 25.02.14 im Mainfrankentheater Würzburg befindet sich dort mit weiteren Bildern.

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