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Slowenisches Nationaltheater / SNG Opera in Balet Ljubljana (Laibach)

 

http://www.opera.si/


 

LUISA MILLER


Laura – Ana PAVLOV PERVANJE, Federica – Nuska DRASCEK ROJKO, Rodolfo – Jenish YSMANOV, Luisa – Elvira HASANAGIC, Maestro David SVEC, Miller – Cüneyt ÜNSAL, Walter – Juan VASLE. Foto: Tanzler

 

Aufführung am 7.03.2020

Welch begeisternder, mitreißender Opernabend! So mitgenommen hat mich schon länger keine Finalszene, ich gestehe durchaus ein, daß ich Tränen in den Augen hatte. Und aus den begeisterten Reaktionen des Publikums schloß ich, daß der überwiegende Teil ebenfalls begeistert war. Ja, die Stimmung hat gepaßt und das, obwohl das  – kleine – Laibacher Haus nicht einmal zur Hälfte gefüllt war. War da daran tatsächlich die Corona-Hysterie dran Schuld?  Der in einer Halle am selben Abend hätte stattfindende Solo-Abend von Andrea Bocelli fiel einer Absage zum Opfer, und angeblich drohte dies auch dem Abend in der Oper – Gott sei Dank ging er trotzdem über die Bühne.

     Und er bewies einmal mehr, daß es zu einem eindrucksvollen Erlebnis eigentlich nicht viel Bedarf:  ein dem Libretto dienendes einfaches Bühnenbild ( hier ein weisses Halbrund als Bühnenhintergrund, das stimmungsvoll beleuchtet wurde, davor ein paar einfache Requisiten – Sessel, Tischchen, ein Kreuz, Millers Soldatenuniform auf einem Kleiderständer etc. – von Rudolf Rischer, wunderschöne, farbige und kleidsame (!) Kostüme von Bettina Richter – endlich mal eine Kostümbildnerin, die etwas von ihrem Handwerk versteht und Geschmack hat! Brava! – und eine einfache, die Handlung klar strukturierende, sängerfreundliche Regie von Altmeister Lutz Hochstraate, und dazu ein Team von engagierten, erstklassigen Interpreten und einem Maestro, der seinen Verdi kennt und Gespür für die Partitur hat! Klingt eigentlich ganz simpel – doch in der Realität tritt dieser Glücksfall eben nur ganz selten ein.

     Nun der aus Prag stammende David Svec, der nach der „Verkauften Braut“ hier nun seine zweite Produktion betreute, war der nach Giampaolo Bisanti , den ich in Macerata und zuletzt in Hamburg gesehen hatte, gleichwertige Dirigent, der offenbar den Verdischen Duktus instinktiv inne hat. Schon bei den ersten Takten der Ouvertüre war klar, daß es heute einfach „passen“ wird. Neben perfekten, federnden Tempi und dem Eingehen auf die Sänger, hatte er auch einen spürbaren Draht zum ausgezeichneten Orchester und unterlegte das Geschehen auf der Bühne mit einer Italianita und einem Drive, der gefangen nahm, und konnte einen unglaublichen Spannungsbogen aufbauen. Auf der Bühne konnte er dabei ein Liebespaar führen, das sich nach einem ausgezeichneten Abend immer mehr zu einer Weltklasseleistung steigern konnte. Und das, man höre und staune, nachdem beide bereits an den beiden Vorabenden ebenfalls ihre Rollen singen mussten, da die Alternativbesetzungen krank geworden sind: an drei aufeinanderfolgenden Abenden Luisa und Rodolfo singen ist allein schon ein Parforce-Ritt, und dann auf diese Art ist ein wahres Kunststück!

     Elvira Hasanagic, in Ljubljana aufgewachsen, mit bosnischen Wuzeln, die u.a. auch in Deutschland studiert hatte , kann man absolut als ideale Luisa bezeichnen. Eine angenehm timbrierter Sopran, der sich von den Koloratur und Belcantorollen hin zum „größeren“ Verdi zu entwickeln scheint hat die Leichtigkeit und das mediterrane Flair, um gleich den Auftritt hinzuperlen, daß es eine Freude ist. Ihre liebliche Bühnenpräsenz unterstützt dabei ihre vokalen Preziosen, und im Laufe des Abends dreht sie dann bei „Tu puniscmi“ und speziell der darauffolgenden Cabaletta gehörig auf. Im Duett mit ihrem Vater und dem grandiosen Finale, das sie mit einem herrlich gestützten piano phrasiertem „Ah! L´ultima preghiera“ einleitet legt sie ihr ganzes Herz in ihren seelenvollen Gesang, eine großartige Leistung! Ihr geradezu kongenialer Partner war der aus Kirgistan stammende Tenor Jenish Ysmanov. Schien der kleingewachsene Tenor beim ersten Auftritt noch ein wenig zurückhaltend , begeisterte er durch eine perfekte italienische Phrasierung, einer bombensicheren Technik und einem „sqillo“ in der Höhe. Sein „Quando le sere al placido“ war einer der Höhepunkte des Abends, das Finalduett mit Hasanagic gehörte zum absolut Besten, was ich in den letzten Jahren auf der Opernbühne gehört und gesehen habe!

     Da gesellte sich ja auch dann noch Luisas Vater in Gestalt von Cüneyt Ünsal hinzu, der  aus der Türkei stammende Bariton lebt nun mit seiner Familie in Venedig. Ein paar wenige eher flachere Töne in „Sacra la scelta“ ließ er durch seinen Legato geprägten Verdi-Gesang rasch vergessen, war im Finale des ersten Aktes mit“Fra mortali“ ungemein präsent und trumpfte auch enorm mit seiner Bombenhöhe auf ( am Ende von „Ah! fu giusto il mio sospetto“  und im Duett mit Luisa) und war sowohl glaubwürdig und berührend als Bühnenfigur als auch vom vokalen Standpunkt her erstklassig. Beeindruckend als Persönlichkeit und vom Alter perfekt passend  der aus Argentinien stammende und lange Jahre zum Ensemble in Ljubljana gehörende Juan Vasle , der seinen offenbar in vielen Opernschlachten eingesetzten Bass dank ausgezeichneter Technik zu imposanten Tönen zwang. Der Wurm war bei Sasa Cano bestens aufgehoben, der seinen große Bass pointiert einsetzte und den schleimigen Charakter bestens auch szenisch interpretierte. Eine Luxus Federica war Nuska Drascek Rojko, in einem wunderbaren roten Kleid eindrucksvoll aussehend, mit perfekt sitzendem, klangvollen Alt , „grinta“ und enormer Ausstrahlung – kann mich an kaum eine bessere „Live“-Federica erinnern…Und auch die kleinen Rollen waren erstklassig besetzt: Ana Pavlov Pervanke ließ mit ihren wenigen Phrasen mit ihrem leichten Mezzo aufhorchen, und selbst der Contadino von Rusmir Redzic absolvierte seine Phrasen mit Qualitätsstimme in bestem Italienisch!  Da auch der von Zeljka Ulcnik Remic einstudierte Chor auf hohem Niveau agierte, waren die musikalischen Freuden nahezu grenzenlos.

     Man sollte diese Produktion in der sympathischen Hauptstadt unseres südlichen Nachbarn auf keinen Fall versäumen! ( Von Wien ist man bequem in 3 Stunden 15 Minuten dort, die Steirer und Kärntner habens natürlich noch besser…)

 

Michael Tanzler, 10.3.2020

Besonderer Dank an unseren Kooperationspartner MERKER-online (Wien)

 

MACBETH

24. Mai 2018

Unkonventionelle, aber spannende Inszenierung

Am 17. Mai hatte die Neuinszenierung von „Macbeth“ von Giuseppe Verdi an der SNG Opera and Ballet Ljubljana in der absolut ungewöhnlichen Inszenierung des slowenischen Regisseurs Jernej Lorenci mit dramaturgischer Beratung von Matic Starina in dem kleinen, äußerst schmucken Haus mit nur 525 Plätzen Premiere. Ich war erstaunt, welch hochklassige Leistungen in alle Kategorien zu hören und sehen waren, Orchester, Stimmen und Regie. Lorenci ist einer der führenden slowenischen Regisseure und debutierte auf der Ljubljaner Bühne mit Glucks „Orpheus und Eurydice“.

Wenn man vor Beginn auf die bereits offene Bühne blickte, glaubte man, einer konzertanten Aufführung beiwohnen zu „müssen“. Und auch während des Stücks ging das Licht, wie in den alten Tagen der Oper, nicht aus. Man sah als Bühnenbild von Branko Hojnik lediglich amphitheatralisch angerordnete rote Stuhlreihen, wie für einen Chor. Einige im Publikum waren geschminkt und opernmäßig kostümiert, auch mit barockem Einschlag. In der Tat begann es damit, dass erst die elegant gekleideten Damen in diesem “Publikum“ als Hexen loslegten. Dann outeten sich die Protagonisten, einer/e nach dem anderen, erst Banquo und Macbeth. Später sitzt der ermordete König von Schottland Duncan schweigend und blutüberströmt in einer der unteren Sitzreihen - neben ihm die Lady und Macbeth. Man legt ihm weiße und rote Rosen auf den Schoß. Es wirkte wie ein Theater im Theater, aber sehr effektvoll. Banquo wird mit leichtem Schleifen eines Fächers über seinen Hals gewissermaßen symbolisch ermordet. Später wird das Bühnenbild dann auch etwas aufgelöst. Die Sitzreihen verschwinden, und man blickt in einen nebulösen Raum, wie in eine geheimnisvolle Tiefe. Hier wird auch die gute Choreografie von Gregor Lustek sichtbar. Für die Stimmungen verstärkende Lichtregie zeichnet Andrej Hajdinjak verantwortlich, der auch den Sofioter „Ring des Nibelungen“ beleuchtet (siehe Moskau-Bericht hier). In diesen Szenen kamen verstärkt Barockkostüme von Belinda Radulovic zum Einsatz, dazu fratzenhaft geschminkte Barock-Gesichter verweichlichter Männer... Die Maske hatte hier einiges zu tun.

Lucia Premeri sang als Gast eine attraktive, in ihrem Bestreben um totalen Machterhalt charmant agierende Lady, mit einem ins Dramatische tendierenden und ebenso klangvollen wie ausdrucksstarken Sopran. Marko Kobal vom Ensemble war ein etwas in die Jahre gekommener guter Macbeth, eigentlich nie ganz vom Ansinnen seiner Frau überzeugt. Saša Čano sang einen sehr guten Banquo, ebenso wie Edvard Stah einen intensiven Malcolm und Branko Robinsak einen guten und engagierten Macduff. Alle weiteren Rollen waren ebenfalls ansprechend besetzt.

Das Ensemble der SNG Opera in balet Ljubljana zeigte sich offenbar von seiner besten Seite. Das war auch vom Orchestra SNG Opera in balet Ljubljana und dem hervorragenden und von Zeljka Ulcnik Remic einstudierten Chor unter der Stabführung von Jaroslav Kyzlink, dem tschechischen Chefdirigenten, mit seinem Konzertmeister Igor Grasselli zu erkennen war. Kyzlink setzte der Handlung entsprechend starke musikalische Akzente und schaffte eine hervorragende Harmonie zwischen Bühne und Graben. Man vermisste nicht einen Moment die klassische Macbeth-Optik in dieser intelligenten Inszenierung mit guter Personenregie.

Es war ein spannender und bisweilen aufregender „Macbeth“, der auch das erfreulicherweise zu großen Teilen junge Publikum begeisterte. Oper hat offenbar Zukunft in Slowenien!

 

Klaus Billand/12.6.2018

www.klaus-billand.com

 

Fotos: Darja Stravs Tisu

 

 

SCHWANENSEE

Einhelliger Premierenjubel

Premiere: 16. 4. 2015

Neuerlich bestätigt sich der Eindruck: es gibt in Laibach einen Ballettschwerpunkt – führt doch nicht nur die Laibacher Oper („Slovensko narodno gledališče Opera in balet Ljubljana“ - „Slowenisches Nationaltheater für Oper und Ballett Laibach“),  sondern auch das Laibacher Konservatorium („Konservatorij za glasbo in balet Ljubljana“ – Konservatorium für Musik und Ballett“)  das Ballett ausdrücklich im Namen. Das ist das Umfeld, das nicht nur Traditionen bewahrt, sondern auch ermöglicht, dass  Laibach die großen klassischen Ballette in zeitgemäßen  Interpretationen aufführen kann – und dass dann die Premiere übervoll mit vielen jungen Leuten ist, die sich auf den zusätzlich aufgestellten Stühlen im ausverkauften Haus drängen und die am Ende alle Ausführenden lautstark bejubeln.

Tschaikowskis Ballett „Schwanensee“ wurde 1877 am Bolschoi-Theater in Moskau mit mäßigem Erfolg uraufgeführt – heute gilt die Choreographie von Marius Petipa und Lew Iwanow, die lange nach Tschaikowskis Tod im Jahre 1895 am Mariinski-Theater in St. Petersburg entstand, als jene maßgebliche Version, an der sich die Choreographen der neueren Zeit orientieren, sofern sie nicht eine völlige Neufassung zum Ziele haben. Laibach hat als Choreographin der Neuproduktion, die ausdrücklich auf dem klassischen Konzept von Petipa und Iwanow beruht, die renommierte Amerikanerin Lynne Charles engagiert. Lynne Charles war als Primaballerina die Muse der Choreografen-Legenden John Neumeier (Hamburger Ballett), Roland Petit (Ballet National de Marseille) und Maurice Béjart (Ballet of the 20th Century und Béjart Ballet Lausanne), die zahllose Rollen an ihr kreiert haben. Zudem war sie ständiger Gast beim English National Ballet und dem Birmingham Royal Ballet. Lynne Charles war die erste westliche Ballerina, die vom damaligen Kirov Ballet eingeladen wurde die Hauptrolle in den Klassikern Giselle und Don Quichotte zu tanzen.“  - das liest man über sie auf der Website ihrer Agentur. Lynne Charles war zweifellos eine Ikone des klassischen Balletts.

Klassisches Ballett – woran denkt man da? In neun von zehn Fällen sagt die Statistik, entsteht vor dem geistigen Auge das Bild von zierlichen Tänzerinnen in weißen schimmernden Tutus und von einem Prinz, der sich in ein Traumwesen verliebt. Und auch wenn einem gar nicht bewusst ist, woher dieses geradezu archetypische Bild stammt, es verkörpert auch noch nach 120 Jahren ganz einfach das, was klassisches Ballett ausmacht – selbst im Zeitgeist der Gegenwart. Lynne Charles stellt klassisches Ballett in einen aktuellen, filmisch inspirierten Rahmen. Die Bühnengestaltung übernahmen der russische Professor für Medienkunst (Karlsruhe) Vadim Fishkin gemeinsam mit dem slowenischen „visual artist“ Miran Mohar. Die Kostüme stammen von Uroš Belantič, einem slowenischen Schauspieler und Designer, der in Wien an der Universität für angewandte Kunst Mode studiert hatte. Die Ausstattung besteht im Wesentlichen aus Projektionen – schon während des Vorspiels wird das Orchester auf den Faltenwurf des Bühnenvorhangs gespiegelt – gleichsam als wellenförmige Einstimmung auf das Wasser als zentrales Lebens-und Todeselement des 2. und 4. Aktes. Projektionen fließenden Wassers beherrschen diese am See spielenden Akte. Die Ballszenen des 1. und 3. Aktes sind mit einer den Hintergrund abgrenzenden Tapetenprojektion und angedeuteten Kronluster-Elementen sparsam, aber praktikabel gestaltet. Das Konzept ermöglicht sehr gut den rasch-fließenden Übergang zwischen den Akten ohne jeglichen Bruch.

Vor etwa einem Jahr hatte an der Wiener Staatsoper „Schwanensee“ Premiere. Auch diese Produktion berief sich auch Petipa und Iwanow, baute allerdings auf eine bahnbrechende Interpretation auf, die vor über 50 Jahren Rudolf Nurejew in den Westen brachte. Sein Leitgedanke war damals die Aufwertung der männlichen Hauptrolle und ihre Gleichstellung mit der Partie der Ballerina. Lynne Charles geht in Laibach einen anderen Weg – bei ihr bleiben die Frauenfiguren im Zentrum des Geschehens. Das männliche Element – der Prinz als positive und der Magier Rothbart als negative Kraft – stirbt. Zurück bleiben am Ende die Schwäne, die wieder ihre weibliche Gestalt gewinnen – wohl gleichsam als das „Ewig Weibliche“, als das immer die Welt neu hervorbringende Element.

Und in diesem Sinne waren die Frauenfiguren tatsächlich die prägenden Persönlichkeiten des Abends.

Die Russin Olga Andreeva - früher selbst Odette/Odile - war eine ausdruckstarke Königin, die auch die Szene beherrschte, wenn sie nicht tanzte und bloß mit sparsamen Gesten, königlicher Haltung und anteilnehmender Mimik die Szene beobachtete. Die Prinzessin, die durch die Königin dem Prinzen zugedacht ist, interpretierte die Italienerin Rita Pollacchi kraftvoll-intensiv. Sie brillierte auch im Pas de Six und bei den kleinen Schwänen, wie ja überhaupt fast alle Mitwirkenden in mehreren Rollen des überaus personenreichen Stückes auf der Bühne standen. In späteren Aufführungen werden die beiden weiblichen Hauptgestalten Odile und Odette getrennt besetzt werden und dann wird Rita Pollacchi die Odile tanzen. Am Premierenabend war allerdings Odette und Odile mit einer Künstlerin besetzt. Als Gast gestaltete die Argentinierin Laura Hidalgo diese zentrale Figur, die wohl  eine der anspruchsvollsten und anstrengendsten Rollen des klassischen Balletts ist. Es sind ja nicht  nur zwei völlig unterschiedliche Charaktere darzustellen – der lyrisch-gute Weiße Schwan und der dämonische Schwarze Schwan - auch technisch werden höchste Ansprüche an die Tänzerin gestellt. Berühmt-berüchtigt sind wohl die zweiunddreißig Fouettés im dritten Akt. Wer an Vergleichen interessiert ist, findet auf Youtube eine Fülle von Aufnahmen mit diesem Bravourstück – hier ein Beispiel des legendären Mariinski-Ballets (ab Min. 5:09). Laura Hidalgo hat die Herausforderungen bravourös bestanden – man kann nur bewundernd das erleben, was unlängst in einem ausführlichen Interview mit einer der führenden Tänzerinnen unserer Zeit in der Frankfurter Allgemeinen so beschrieben wurde: „Das Ballerina-Dasein ist ein gelebter Widerspruch. Sie sehen so zerbrechlich aus, dabei sind Balletttänzer so zäh wie kaum ein Hochleistungssportler. Es geht dabei nicht um die eine Hundertstelsekunde schneller, höher oder weiter, sondern um einen Ausdruck, um eine Leichtigkeit, um Perfektion, die ebenso schwer zu erklären wie zu bekommen ist.“ Laura Hidalgo ist an diesem Premierenabend das gelungen, was alle großen Ballerinen anstreben – die Verbindung von höchster Körperbeherrschung und ein völliges Aufgehen in der dargestellten Rolle, sozusagen unter dem Motto „Wenn du nicht mehr du selbst bist, ist es perfekt“.

Aber auch die Herren-Partien waren durchaus profiliert besetzt. Der Serbe Petar Dorcevski war ein viriler Siegfried. Ich hatte den Eindruck, dass in dieser Choreographie eher seine Männlichkeit als seine königliche Abstammung betont wurde – vielleicht entstand der Eindruck auch deshalb, weil Siegfried  nicht im oft für den Prinzen üblichen Weiß gekleidet war. Darstellerisch stand eher das verzweifelte Scheitern als das Adelige im Vordergrund – übrigens war das gemeinsame Ertrinken mit Odette in strahlendem Licht szenisch sehr schön und effektvoll gelöst. Der Japaner Juki Seki, der in späteren Aufführungen den Rothbart tanzen wird, war ein markant-repräsentativer Begleiter und Lukas Zuschlag ein dämonisch-dominanter Rothbart, der durchaus die Szene beherrschte, sobald er auftrat.

Ein pauschales Lob gilt den zahlreichen kleineren Rollen. Die vielen Ensembles vom Pas de deux über den Pas de Six bis hin zu den großen Divertissements und Ballszenen gelangen in großer Intensität und Präzision – man meinte, die intensive Probenarbeit geradezu zu spüren!

Die Musik Tschaikowskis wurde vom Orchester der Laibacher Oper unter dem Dirigenten Marko Gašperšič in sehr präzis-rhythmischem Zusammenwirken mit der Bühne gespielt, allerdings doch wohl allzu kräftig-zupackend, ja zeitweise geradezu grell-lärmend. Technisch sehr sauber und sicher gelangen die Violin-, Violoncello- und Harfensoli. An meinem Platz in der 11.Reihe Parterre klang aber auch da manches zu grob und zu wenig kammermusikalisch – und die Harfe schien mir unnötig elektronisch verstärkt. Mir fehlte insgesamt  die melancholisch-resignative Süße, die Zartheit, ja die zerbrechliche Dekadenz Tschaikowskis.

Doch zum Schluss nochmals zurück zur szenischen Umsetzung:

Wenn ich oben ein Video und ein Interview mit einer anderen Primaballerina zitiert habe, dann ging es nicht darum, die Leistung, die an diesem Abend auf der Bühne in Laibach erbracht wurde, vergleichend zu messen oder zu werten, sondern es geht um den Versuch, jenen, die nicht dabei sein konnten, einen Eindruck der außerordentlichen Leistung zu vermitteln, die die Solisten und das gesamte Ensemble zustande gebracht haben. Das Wunderbare an jeder Live-Aufführung ist ja, dass die Interpretation nur im Hier und Jetzt zwischen Künstler und Publikum entsteht. Und darum sei zusammenfassend betont: für mich war es ein großer Abend der gastierenden Primaballerina, des gesamten Ballettensembles der Laibacher Oper, seines Jungensembles und der Verstärkung aus dem Konservatorium, die vom Publikum zu Recht begeistert akklamiert wurde. Auch die jüngsten Schwäne seien in dieses Lob ausdrücklich eingeschlossen – auf dem Foto sieht man sehr schön ihre erleichterte Freude über das Gelungene.

Hermann Becke, 18.4.2015

Szenenfotos: SNG OPERA IN BALET LJUBLJANA

 

Die Produktion ist noch bis Ende April in Ljubljana zu erleben und wandert dann weiter an das Teatro Giuseppe Verdi in Trieste – hier finden Sie die Termine.

Und daann noch der Hinweis auf ein stimmungsvolles Video über die Kostümherstellung in Ljubljana.

 

 

COPPELIA

AM MONTMARTRE

Besuchte Aufführung: 5. 6. 2014

(Premiere: 19. 4. 2013)

Publikumswirksames Handlungsballett

Ein wesentlicher Teil der Laibacher Oper ist das Ballett – das entnimmt man schon dem vollständigen Namen der Institution: „Slovensko narodno gledališče Opera in balet Ljubljana“ – auf Deutsch: „Slowenisches Nationaltheater für Oper und Ballett Laibach“. Es gibt an der Laibacher Oper schon seit 1919 ein eigenes Ballettensemble, wie man auf der Homepage des Hauses im Beitrag über die Geschichte des Hauses nachlesen kann. Dieses Ballettensemble hat derzeit immerhin rund 45 Mitglieder – eine wirklich beachtliche Zahl, vergleicht  man dies etwa mit dem Landestheater Salzburg oder der Oper Graz - hier gibt es nur 17 bzw. 18 Ballettensemblemitglieder! Wenn man nun dieses große Laibacher Ballettensemble auf der Bühne erlebt, dann gehen einem zunächst jene Berichte durch den Kopf, die sich mit der wahrlich nicht leichten wirtschaftlichen und sozialen Situation der Tanzszene in unserer Zeit beschäftigen – das Goethe-Institut hat vor kurzer Zeit eine interessante Zusammenfassung über die Arbeitsbedingungen in Deutschland publiziert. Ich habe natürlich keinen Einblick in die Vertragssituation des Laibacher Ballettensembles – aber als interessierter Besucher kann man erfreut registrieren, dass es hier offenbar einen Theatererhalter gibt, dem es wichtig ist, die lange slowenische Balletttradition weiter zu pflegen, eine große Balletttruppe im Ensemble zu haben und damit auch großbesetzte Stücke im Spielplan anbieten zu können. Zum Traditionsbewusstsein des Laibacher Hauses passen wohl auch die Wahl des Stückes und die Wahl des Choreographen.

Coppélia ou La Fille aux yeux d'émail (deutsch Coppelia oder Das Mädchen mit den Glasaugen) wurde  von Léo Delibes  1870 komponiert. Die Handlung basiert auf E. T. H. Hoffmanns Erzählung Der Sandmann und war bei der Uraufführung in Paris ein triumphaler Erfolg. Bis heute gehört Coppélia zum Standardrepertoire des klassischen Balletts. In Laibach wurde die Fassung von Youri Vámos auf die Bühne gebracht – der in Ungarn geborene Tänzer und Choreograph Vámos zählt zweifellos zu den bedeutenden Persönlichkeiten der internationalen Tanzszene. Nicht umsonst ist er in der Publikation “Tanzgeschichte des 20. Jahrhunderts in einem Band” (erschienen in der arte edition) als “der wohl beste choreographische Geschichtenerzähler der Gegenwart” bezeichnet worden. Es lohnt sich, seine informative Homepage anzuschauen, auf der über seine Coppélia-Version zu lesen ist: Youri Vámos versetzt seine Coppélia in die Zeit der Belle Époque nach Paris, in die Stadt des Komponisten, dessen Musik ihn zu dieser Idee inspirierte.

Coppélius, ein alter Maler, verbringt den Abend in seinem Stammlokal, einem bekannten, verrufenen Etablissement am Montmartre, in dem der verbotene Cancan getanzt wird. Ein Grund für jeden »ehrbaren Bürger«, diesen Ort zu meiden. Es ist für ihn - wie so oft – ein sehr einsamer Abend. Er sehnt sich nach Jugend und Schönheit, Dinge, die für ihn nicht mehr erreichbar sind und nach der anmutigen Swanilda, die mit Franz, einem sympathischen, unbekümmerten Burschen aus der Nachbarschaft, befreundet ist. Im Gegensatz zu Coppélius sehnt sich dieser danach, endlich den berüchtigten Club - insbesondere die Cancan-Tänzerinnen kennenzulernen. Er hat nur ein Problem: er ist noch minderjährig. Coppélius verschafft nicht nur Franz Zutritt, sondern auch - durch den Kauf eines Abendkleides - Swanilda und löst eine turbulente Geschichte aus.

„Coppélia am Montmartre“ wurde 1981 an der bayrischen Staatsoper in München uraufgeführt und seither von vielen Häusern nachgespielt – z.B. 2003 in Düsseldorf und 2009 in Brünn/Brno. Für die Laibacher Produktion, die im Vorjahr ihre Premiere hatte, brachte Vámos sein bewährtes Kernteam mit: seine Assistentin (und Ehefrau) Joyce Cucco und den Lichtdesigner Klaus Gärditz. Die slowenischen Künstler Andrej Stražišar (Bühne) und Marija Kobi (Kostüme) haben das ursprüngliche Ausstattungskonzept (des Engländers Michael Scott) wieder belebt. Und das große Laibacher Ballettensemble hat eine eindrucksvolle und geschlossene Leistung geboten! Wie man dem Programmheft entnimmt, sind alle Rollen mehrfach besetzt – die Solisten wechseln einander in den verschiedenen Partien ab. Ich erlebte in den beiden Hauptpartien die Premierenbesetzung.

Die Laibacherin Ana Klasnja ist seit 2007 Solotänzerin des Hauses und war eine anrührende Swanilda – in zarter Zerbrechlichkeit, aber auch mit gebührender Autorität eine überzeugende Figur, die stets die Bühne beherrscht. Ihr Franz ist der aus Kärnten stammende Lukas Zuschlag , der ebenfalls seit 2007 Solotänzer in Laibach ist und der schon als 20-jähriger den Romeo getanzt hatte. Inzwischen hat er in Laibach auch als Sänger und Schauspieler geradezu einen „Promistatus“ erobert, wie eine Kärntner Zeitung schon vor über zwei Jahren in einem Artikel schrieb. Zuschlag war ein viriler Hauptdarsteller mit dynamischer Sprungkraft, aber auch mit lyrischer Leichtigkeit. Beide Protagonisten sind in den slowenischen Medien sehr präsent und wurden auch an diesem Abend vom Publikum im gut besuchten Opernhaus bejubelt. (Auch wenn man nicht Slowenisch kann, ist es nett, in ein Fernsehinterview hineinzuschauen, das die beiden aus Anlass der Premiere gegeben haben.)

Aber auch das übrige Ensemble präsentiert sich auf hohem Niveau – ob dies nun der kraftvolle Japaner Juki Seki als Polizeioffizier, Gregor Guštin als drastischer Bruder Swanildas oder der konzentriert den alten Maler Coppelius gestaltende Goran Tatar ist. Auch die vielen kleinen Episodenfiguren, die ständig die Bühne bevölkern, sind individuell gezeichnet – jede/r ist Teil eines sich ständig wandelnden und immer lebensvollen Gesamtbildes. Großartig sind auch die prallen und temperamentvollen Ensembleszenen, wenn um Beispiel die Can-Can-Mädchen über die Bühne wirbeln. Und auch der skurrile Humor findet in der Gerichtsszene seinen gebührenden Platz.

Aber daneben gibt es auch immer wieder berührende Ruhepunkte – etwa im letzten Bild, wenn der alte Coppelius in Träume versinkt und sich gleichsam in der Verkörperung des jungen Hans wiederzuerkennen vermeint. Da zeigt zum Violin-Solo das wiedervereinte Paar Swanilda/Hans „Pas de deux“-Kunst auf hohem Niveau. Dieses Violin-Solo spielt der Konzertmeister des Laibacher Opernorchesters mit saftig-kräftigem Strich – da hätte man sich vielleicht etwas mehr melancholisch-parfümierte Verhaltenheit gewünscht.

Das Orchester leitete offenbar (entgegen der Ankündigung im Programm) der Dirigent der Premiere Marko Gašperšič – ein überaus erfahrener und sicher koordinierender  Kapellmeister. Vieles erklang recht klangschön – etwa die einleitenden Hornphrasen. So wie beim Violinsolo fehlte allerdings auch beim gesamten Orchesterklang ein wenig das französische Raffinement. Das Publikum reagierte mit viel Beifall – es wäre zu wünschen, dass diese rundum gelungene Produktion auch auf dem Spielplan der nächsten Spielzeit steht.

Hermann Becke, 7.6. 2014

Szenenfotos: SNG OPERA IN BALET LJUBLJANA (Hier gilt dem Pressebüro der Laibacher Oper besonderer Dank – es gab viele ausgezeichnete Fotos der Besetzung dieser konkreten Repertoireaufführung!)

Videoclip der Laibacher Aufführung

 

 

 

Zwei Aufführungen im prachtvoll restaurierten Opernhaus

„Nabucco“ und die Rarität „Gorenjski slavček“

Sechs Spielzeiten lang waren Künstler und Publikum auf Ausweichquartiere angewiesen - so lange dauerte die Renovierung des 120 Jahre alten Hauptgebäudes und die Errichtung des Zubaus. Seit 2008 war die Eröffnung immer wieder verschoben worden. Der damalige Direktor der Oper Laibach bei der Wiedereröffnung: „Ich kann sagen, dass es für unser Haus sehr schwierig war, weil diese immer wiederkehrenden Verschiebungen unserem Haus sehr große Probleme bereitet haben. Auf dem organisatorischen, dem künstlerischen und dem finanziellem Gebiet. Die Investition lief über das Kulturministerium, die Kosten beliefen sich auf 43 Millionen Euro“.

Vor allem die lange Bauzeit ließ die Kosten explodieren, zwei Baufirmen gingen während der Umbauzeit in Konkurs, fünf Kulturminister in Pension. Neben dem stilgerecht restaurierten Zuschauerraum mit 550 Sitzplätzen gibt es nun einen modernen Zubau zum historischen Gebäude mit einem vergrößerten Orchesterraum und der dadurch verbesserten Akustik, aber auch mit den notwendigen Neben-  und Probenräumen.

Das Opernhaus von Ljubljana wurde ursprünglich  in den Jahren 1890/92 als damaliges Landestheater im Neorenaissance-Stil nach Plänen der tschechischen Architekten Jan V. Hrasky und Anton Hruby errichtet. Für die Renovierung wurde im Jahre 2004  ein internationaler Wettbewerb ausgeschrieben. Der Sieger, das niederländische Büro Neutelings Riedijk, wurde dann gemeinsam mit dem österreichischen Ingenieursbüro Vasko+Partner mit dem Umbauprojekt beauftragt.

Im Dezember 2011 war es dann endlich soweit -  die Oper in Ljubljana wurde mit einer großen Gala offiziell wiedereröffnet. Seither wird sie regelmäßig mit Opern- und Ballettaufführungen bespielt. Für große Werke wird allerdings weiterhin der mehr als doppelt so große Saal des Kulturzentrums Cankarjev Dom (benannt nach dem slowenischen Dichter Ivan Cankar) genutzt – siehe dazu den Opernfreund-Bericht vom März 2012.

Auch die Saison 2012/ 13 wurde mit der Premiere des „Fliegenden Holländer“ im Cankarjev Dom eröffnet. Die beiden diesmal besuchten  und im Folgenden besprochenen Aufführungen fanden hingegen im prachtvoll restaurierten Opernhaus statt, das zweifellos den Besuch lohnt.

  

Nabucco

Premiere: 2.2.2012,

besuchte Vorstellung: 20.3.2013 

Es sei gleich vorweg gesagt: Diese Oper mit ihren großen Chor- und Ensembleszenen passt eigentlich nicht in dieses kleine Haus – und wenn man es schon hier aufführt, dann wäre kammermusikalisches Musizieren angesagt. Und das erlebte man nicht – alle sangen aus Leibeskräften, als gelte es die Arena von Verona zu füllen!

Im ausverkauften Haus ging es an diesem Abend  aber vor allem um die Verabschiedung eines langjährigen Ensemblemitglieds – der Sopranistin Milena Morača. Das eindrucksvolle Verzeichnis der von ihr gesungenen Partien reicht von der Königin der Nacht über alle Rollen des dramatischen italienischen Fachs bis zum Komponisten in der Ariadne. Und die Partie der Abigaille erfordert wahrlich einen weiten Stimmumfang vom Mezzobereich bis zum hohen dramatischen Sopranregister. Morača bewältigte diese Anforderungen sehr gut und mit großer Intensität – aber wie bei allen anderen Solisten: weniger Druck und weniger Fortissimo wäre mehr gewesen. Zweifellos wird sie in einzelnen Rollen weiterhin auf der Bühne stehen, aber die Rechtslage in Slowenien sieht für fixangestellte Solisten eine unverrückbare Altersgrenze vor – daher diese Abschiedsvorstellung als ständiges Ensemblemitglied.

Ihre Partner waren an diesem Abend wohl bewusst gewählt: auch sie alle sehr erfahrene und langjährige Mitglieder des Laibacher Hauses.

Marko Kobal war ein stimmlich solider Nabucco, Juan Vasle gelang die lyrische Zaccaria-Szene „Vieni, o Levita“ recht schön, allerdings fehlte ihm speziell in den großen Stretta-Passagen das nötige stimmliche Gewicht und auch darstellerisch blieb er zu unbedeutend.

Fenena war Norina Radovan – nach ihrem Rollenverzeichnis bisher ein hoher Koloratursopran (Despina, Zerbinetta), der sich nun offenbar mit abgedunkelter Stimme in ein neues Fach begibt. Auch der Ismaele von Jure Kušar, seit über 20 Jahren im Hausensemble, ist wohl den jugendlichen Tenorpartien schon deutlich entwachsen.

Solide die Nebenrollen – stimmschön, wenn auch nicht immer sehr präzis der Chor.

Das Orchester unter Igor Švara leitete den Abend mit einem schön und ausgewogen musizierten Vorspiel ein – je weiter der Abend fortschritt, umso mehr verfiel auch das Orchester in eine recht undifferenzierte Einheitslautstärke. Der deutsche Regisseur und Bühnenbildner Detlef Sölter präsentierte eine stimmungsvoll ausgeleuchtete Szene, in der sich alle in althergebrachten Operngesten bewegten. Packendes und zeitgemäßes Musiktheater war nicht zu erleben. Es war ein recht biederer Repertoireabend, der nach dem Schlussbeifall mit Reden, Blumen und Geschenken an die Abschied nehmende Sopranistin auf offener Bühne endete.

Ganz anders und wesentlich positiver mein Eindruck am nächsten Abend:

 

 

Gorenjski slavček

(Die Oberkrainer Nachtigall)

Premiere: 13.3.2013, besuchte Vorstellung: 21.3.2013) 

Wer unter den deutschen Opernfreunden kennt schon diese Oper von Anton Foerster??

Das Österreichische Biographische Lexikon liefert uns seine Lebensdaten : 1837 bis 1926 – Näheres siehe unter http://www.biographien.ac.at/oebl/oebl_F/Foerster_Anton_1837_1926.xml

Anton Foerster war ein echtes Kind der Habsburger Monarchie. Geboren im heutigen Tschechien kam er in jungen Jahren nach Laibach und war hier über 40 Jahre Regens Chori am Dom, Lehrer, Organist, Autor und Komponist - er „hob die slowenische Musik, die sich erst im Entwicklungsstadium befand, auf eine hohe künstlerische Stufe“.

Seine „Oberkrainer Nachtigall“ war zunächst als Operette konzipiert und wurde von einer Kommission unter dem Vorsitz von Friedrich Smetana für Musik und Libretto ausgezeichnet. Die Uraufführung fand in Laibach im Jahre 1872 statt. Später überarbeitete Foerster sein Werk, ersetzte die gesprochenen Passagen durch Rezitative und komponierte weitere Teile dazu. Als Oper wurde das Werk erstmals 1896 aufgeführt. In Slowenien hat sich das Werk auf den Bühnen gehalten – in Ljubljana gab es zuletzt 1953 und 1996 Aufführungen. Die Neuproduktion wurde diesmal  zu Eröffnung der „Tage der slowenischen Musik“ auf den Spielplan gesetzt.

Bevor ich nun auf Werk und Aufführung näher eingehe, muss doch ein wenig  zu der Landschaft gesagt werden, in der das Stück spielt:

Die Markgrafschaft Krain ist ein uralter Kulturraum, der sich südlich an Kärnten anschließt – seit Jahrhunderten ein Schnittpunkt deutscher und slowenischer Kultur. Der nördlichste Teil von Krain heißt Gorenjska  bzw. auf deutsch Oberkrain. Der Leser wird nun vielleicht sofort an Slavko Avsenik und seine weltweit bekannte Oberkrainer Volksmusik denken.

Ja, richtig – genau dort am südlichen Alpenrand, wo Slavko Avsenik (etwa 100 Jahre nach Foerster)  geboren wurde - dort  spielt dieses Werk! Wer sich intensiver mit Krain beschäftigen möchte, der sei als erste Information verwiesen auf: http://de.wikipedia.org/wiki/Krain

Aber vor allem: Krain ist unbedingt eine Urlaubsreise wert – eben ist an der Universität Klagenfurt ein wunderbares Buch über Krain erschienen:

http://www.unikum.ac.at/BUCH_WEITE_FI/DWS_PDF_FI/das_weites_suchen_001-112.pdf

Aber zurück zu unserer Oper: Es ging Foerster darum, die slowenische Volksmusik in einer Oper zu verarbeiten – und das ist ihm tatsächlich ausgezeichnet gelungen. Er hat eine Volksoper auf hohem musikalischem Niveau geschaffen, für die es in der deutschen Musiktheaterkultur kein vergleichbares Gegenstück gibt. Von seinem Ansatz her ist das Stück wohl am ehesten Smetanas Verkaufter Braut verwandt. Natürlich ist Foersters Musik in ihrer (spätromantischen) Zeit verhaftet – aber sie ist eigenständig, kompositorisch sehr sauber gearbeitet (wie schon Smetana betonte) und sie ist es sicher wert, immer wieder aufgeführt zu werden.

Damit aber das heutige Publikum daran Gefallen finden kann und damit es nicht nur eine museale Darbietung bleibt, braucht das Werk eine unserer Zeit adäquate szenische Umsetzung. Und diese ist dem Regisseur der Neuproduktion und seinem Ausstattungsteam hervorragend gelungen!

Der erfahrene Regisseur für Kinder-und Jugendtheater Vito Taufer lässt das Stück in einer naiv-bunten Szenerie mit verschiebbaren Bäumen und Häusern spielen (Bühne: Samo Lapajne, Kostüme: Barbara Podlogar). Er schafft perfekt die Balance zwischen naturalistischem Spiel und augenzwinkernder Distanz. Dazu hat er ein ausgezeichnetes und spielfreudiges Ensemble, das auch stimmlich sehr respektabel ist.

Worum geht es im Stück: Franjo (Tenor) kommt zurück in sein Dorf und liebt die sangesfreudige Minka (Sopran), ein einfaches Bauernmädchen armer Eltern. In die Idylle bricht der französische Bariton Chansonette, der Minka in die große weite Welt mitnehmen und sie zum Gesangsstar machen möchte. Letztlich geht aber alles gut aus – Minka und Franjo bleiben im Dorf und  heiraten in einem großen Dorffest mit viel Chor und mit schuhplattelnden Balletttänzern.

Im Mittelpunkt der Aufführung  steht die gerade erst dem Studium entwachsene Sopranistin Irma Mihelic. Sie singt die dankbare Rolle mit einer in allen Lagen ausgeglichenen Stimme und sicheren runden Spitzentönen ausgezeichnet und spielt mit natürlichem Charme. Ich habe sie schon als Studentin mit sehr guten Leistungen gehört – da zeichnet sich eine schöne Karriere ab.

Franjo ist Matjaž Stopinšek - und wie es der Zufall will: auch ihn habe ich schon in seiner Studienzeit vor über 15 Jahren in kleineren Bufforollen gehört. Inzwischen ist er ins erste Fach aufgestiegen und hat seinen angenehm klingenden Tenor sehr schön ausgebaut. Er sollte sich allerdings hüten, zu viel Druck zu geben – dann verliert die Stimme die ihr eigene sympathische lyrische Farbe und droht, ein wenig steif zu werden. Auch er spielt charmant und einnehmend. Der baritonale Gegenspieler ist Slavko Savinšek mit etwas schmaler Stimme und verbesserungsfähigem Französisch – aber insgesamt im Rahmen dieser Spieloper durchaus ausreichend - und elegant im Spiel. Auch alle  kleineren Rollen – unter ihnen  Mirjam Kalin, Nina Dominko und dem exzellenten Spieltenor Andrej Debevec - sind  wirklich gut und rollendeckend besetzt. Der Zaccaria des Vortags, Juan Vasle, ist hier als Wirt ideal besetzt .

Das Orchester stand an diesem Abend wohl nicht unter der Leitung des Nabucco-Dirigents des Vorabends Igor Švara, wie der abendliche Besetzungszettel auswies. Nach den Fotos auf der Homepage der Laibacher Oper gehe ich davon aus, dass Marko Gašperšič am Pult war. Wie auch immer:

Das Orchester spielte konzentriert mit schönen Soli – der Kontakt zwischen Orchester und Bühne und die Balance waren sehr gut – man merkte wohltuend die Probenarbeit für die erst eine Woche zurückliegende Premiere.

Auch der Chor – von der köstlichen einleitenden Bauernhymne an Gorenjska/Oberkrain über die ebenso köstlichen Feuerwehrmänner und die spielfreudigen solistischen Mägde bis zum finalen Höhepunkt des großen Hochzeitsfestes, bei dem einzelne Choristen heitere „G’stanzeln“ (wie man in Österreich sagt) auf das Brautpaar vortrugen – leistete ebenso wie die erst am Schluss sich dazugesellende Balletttruppe einen wesentlichen Beitrag zum Erfolg. Alle ernteten verdienten Applaus des wiederum vollen Hauses.

Alles in allem: Eine wirklich wohlgelungene Produktion, die ideal besetzt war und sehr gut in den Rahmen dieses wunderbaren Hauses passte, in dem man sich Mozart- und Barockopern wünschte.

Hermann Becke

 

PS

Damit für den Leser in deutschen Opernlanden nicht der Eindruck entsteht, Musiktheater  in Ljubljana/Laibach  beschränke sich nur auf Verdi-Repertoire und slowenische Spieloper des 19.Jhrhunderts zwei Hinweise:

Im April gibt es im wunderschönen Opernhaus  Aufführungen der Laibacher Musikakademie von Monteverdis Orfeo – siehe:

http://www.opera.si/sl/program/predstava/ostalo/orfej/?d=340 

Und zu Monteverdi passend: der slowenische Rundfunk RTV Slovenjia produziert eine hörenswerte CD-Reihe unter dem Titel „Dotiki“ (Berührungen) mit der Gegenüberstellung von alter und neuer Musik. Als Beispiel sei auf die CD mit der slowenischen Mezzosopranistin BARBARA JERNEJČIČ FÜRST verwiesen, bei der Ausschnitte aus Monteverdis „Incoronazione“ mit Werken von Berio, Globokar und aktuellen slowenischen Komponistinnen konfrontiert werden – siehe (bzw. höre!):                             

http://zkpprodaja.si21.com/en/Resna_glasba/BARBARA_JERNEJCIC_FRST_DOTIKI/

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

„Črne maske“ (Schwarze Masken)

von Marij Kogoj

Vorstellung am 6.3.2012


Wer der Opernfreunde im deutschen Sprachraum kennt den slowenischen Komponisten Marij Kogoj und sein Oper „Schwarze Masken“ ??

Ich wußte jedenfalls gar nichts und bin durch die Ankündigungen der europäischen Kulturhauptstadt 2012 Maribor/Marburg auf diese Rarität aufmerksam geworden. Und ich habe ein außergewöhnliches Werk in einer ausgezeichneten Aufführung kennengelernt!

Das wird nun zweifellos ein längerer Bericht – aber ich garantiere dem geduldigen Leser: Es lohnt sich unbedingt, sich mit Werk, Aufführung - und natürlich auch mit der Stadt Laibach - zu beschäftigen!

Also der Reihe nach:

Zum Komponisten Marij Kogoj:

Er entstammt jener unvergleichlichen altösterreichischen Kulturmischung („mishmash“ existiert im Triestinischen als lebendige Vokabel !) – als Slowene geboren 1892 im italienischenTriest, 1914 bis 1917 Studium in Wien bei Ernst Schreker und Arnold Schönberg, nach dem ersten Weltkrieg Musikschriftsteller und Korrepetitor an der Laibacher Oper, ungeheuer beliebter Komponist in den Zwanzigerjahren, gestorben in geistiger Umnachtung im Jahre 1956 in Laibach.

Kogojs Musiksprache ist auch „mishmash“ - eine Mischung von Elementen der Spätromantik, atonaler Musik und frei-schwebender Tonalität. Verhältnismäßig viele seiner Lieder, Chorstücke und musiktheoretischen Aufsätze blieben unvollendet, nicht zuletzt deshalb, weil seine Krankheit sehr schnell voranschritt. Zu Ehren des Komponisten wird auch heute noch in Slowenien alljährlich das internationale Musikfestival »Kogojevi dnevi« veranstaltet.

Zu seinem Hauptwerk „Schwarze Masken“:

Darüber informiert die Marburger Oper auf ihrer Homepage:

„Die Geschichte und das Libretto der Oper Schwarze Masken entstammen aus dem gleichnamigen symbolischen und allegorischen Drama von Leonid Andrejew (einem russischen Autor unter dem Einfluß von Schopenhauer, Tolstoi und Dostojewski) in der Übersetzung von Josip Vidmar ( der übrigens nach dem 2.Weltkrieg unter Tito maßgeblich das slowenische Kulturleben beeinflußte und mit 98 Jahren erst 1992 starb)

Der Protagonist Lorenzo, Herzog di Spadaro, befiehlt, einen Maskenball auf seinem Schloss vorzubereiten, obwohl ihm bewusst ist, dass auch nicht geladene schwarze Masken, die vom Licht angelockt werden, kommen werden. Nach einer Reihe von grotesken Begegnungen mit maskierten Gästen, geladen oder nicht, wird Lorenzo immer mehr zerrüttet und psychisch gespalten. Nachdem er den Teufel herbeiruft, erkennt er seine finstere Vergangenheit und stellt fest, dass er kein Nachkomme des früheren Herzog di Spadaro, sondern eines Stallknechts und der Herzogin sei. Im Zweikampf mit seinem Doppelgänger stirbt Lorenzo. Die Geschichte setzt sich mit der Aufbahrung und danach mit einer erneuten Veranstaltung des Maskenballs fort. Dort erlebt man den psychisch vollkommen besinnungslosen Lorenzo, der nicht einmal seine Frau Francesca mehr erkennt. Die Geschichte endet mit der vollständigen Zerstörung des Schlosses durch ein vom Hofnarr Ecco entfachtes Feuer.“

Zur Produktion:

Die vierte Inszenierung der Oper (nach der Uraufführung im Jahre 1929 gab es in Laibach weitere Inszenierungen in den Jahren 1957 und 1990) entstand in einer Koproduktion der beiden slowenischen Opernhäuser „Opera in Balet SNG Maribor“ und „SNG Opera in balet Ljubljana“und der Europäischen Kulturhauptstadt Maribor 2012. Die Produktion beruht auf der revidierten Fassung der Partitur, die der slowenische Dirigent Uroš Lajovic vorbereitete. Diese neue Fassung ist das Resultat einer fast zwanzigjährigen Arbeit von Gal Hartman, eines Notenstechers aus Laibach. Der Regisseur der Vorstellung ist Janez Burger, ein anerkannter slowenischer Filmemacher, der für seine Arbeit zahlreiche Preise erhielt. Das Bühnenbild bereitete das künstlerische Kollektiv NUMEN mit Ivana Radenović vor, die Kostüme stammen vom international anerkannten Kostümbildner und Modedesigner Alan Hranitelj. Die Premiere der Produktion fand im Jänner 2012 zur Eröffnung des Kulturhauptstadtjahres in Marburg statt, mit März ist die Produktion nun nach Laibach übersiedelt.

Zum Aufführungsort:

Auch dieser ist höchst bemerkens-und berichtenswert. Das Kulturzentrum Cangarjev Dom (benannt nach dem slowenischen Dichter Ivan Cangar) ist wahrscheinlich Laibachs größtes Investitionsabenteuer im kulturellen Bereich des vorigen Jahrhunderts. Der Bau begann 1978 mit dem ersten Saal und wurde modulartig bis 1984 mit weiteren Veranstaltungs- uns Ausstellungsräumen erweitert. Im Gallus-Saal (benannt nach dem aus Laibach stammenden Renaissancekomponisten Jacobus Gallus = Jacob Handl) fand die Aufführung der Schwarzen Masken statt. Das ist ein modernst ausgestatteter Saal mit rund 1400 Plätzen – es lohnt sich, ihn sich auf der Homepage (samt 360°-Panorama!) anzuschauen: http://www.cd-cc.si/default.cfm?Jezik=En&Kat=0405

Und wie habe ich als jemand, der sich zwar in der (spärlich vorhandenen) Literatur vorzubereiten versucht, aber noch nie einen Ton der Musik von Marij Kogoj gehört hatte, die Aufführung erlebt ??

Es ist ein dreistündiges Monsterwerk – großes Orchester samt Klavier, Celesta, Orgel, Mandoline und reichem Schlaginstrumentarium dazu Bühnenorchester, großer Chor, Ballett und eine etwa dreißigköpfige Solistenschar. Werk und szenische Umsetzung sind für mich zu einem überzeugendem Ganzen, zu einem optischen und akustischen Alptraum zusammengewachsen. Sehr hilfreich war die ausgezeichnete Übertitelung (neben slowenisch Gott sei Dank auch englisch). So konnte man dem ausdrucksstarken Text sehr gut folgen. Die Musik Kogojs ist durch üppige, aber nie die Stimmen überwuchernde Orchestrierung gekennzeichnet – große Bögen erlebt man nicht, eher eine Vielzahl von kleinen melodischen Motiven, die sich immer wieder im Gesamten verlieren. Das Irreale, Zerbrechende und Wahnhafte vermittelt sich sehr intensiv – großartig verstärkt und unterstützt durch Bühnenbild und Kostüme. Um nur ein Beispiel konkret zu nennen: der schwarzglänzende Bühnenboden spiegelt alle Aktionen - als Lorenzo auf seinen Doppelgänger trifft, sieht man gleichsam vier Lorenzos…..

Bewunderswert die stimmliche Durchhaltekraft von Jože Vidic als Hauptfigur Lorenzo. Er steht praktisch ununterbrochen auf der Bühne und gestaltet die Partie mit seinem metallischen Bariton überzeugend. Zurecht ist er beim Schlußapplaus der umjubelte Mittelpunkt. Alle anderen (mittleren und kleinen) Rollen sind gut bis ausgezeichnet besetzt. Drei seien besonders erwähnt: der polternde Baß von Saša Čano, der markante Tenor von

Dejan Maksimiljan Vrbančič und der zarte (manchmal an seine Grenzen stoßende) Sopran von Andreja Zakonjšek Krt. Der erfahrene Dirigent Uroš Lajovic hielt das riesige Ensemble mit merklichem Engagement ausgezeichnet und mit großer Rücksicht auf die Stimmen zusammen – der Zuhörer wird in Bann geschlagen und in den Alptraum hineingezogen.

Das Haus war praktisch ausverkauft – man sah ein offensichtlich sehr interessiertes Publikum (darunter viel Jugend), das mit lebhaftem Beifall und Bravorufen dankte.

Schade, dass es das Werk bisher nicht auf Tonträger gibt – es wäre sehr verdienstvoll, könnte die derzeitige Produktion auf CD, vielleicht sogar auf DVD dokumentiert werden. Wer einen akustischen Eindruck von Kogoj gewinnen will, dem kann ich zwei Hiweise geben: 

° ein Andante für Violoncello und Klavier findet sich auf:

http://www.amazon.de/Schostakowitsch-Kogoj-Schnittk-Milos-Mlejnik/dp/B0000ARNE7/ref=sr_1_1?ie=UTF8&qid=1331206997&sr=8-1

° sämtliche Werke für Violine und Klavier:

http://www.amazon.de/Marij-Kogoj-Musica-Violino-Pianoforte/dp/B001R574GA/ref=sr_1_2?ie=UTF8&qid=1331206997&sr=8-2

Und letztlich gibt es bereits eine Gesamtaufnahme aller Lieder von Marij Kogoj mit der slowenischen Mezzosopranistin Barbara Jernejcic-Fürst – siehe:

http://www.mkartin-allegro.net/de/artisten/barbara-jernejcic-furst-3/

Allerdings ist diese CD bisher nur in Slowenien erhältlich – siehe dazu:

http://www.hartman.si/Izdelek_3206598_MARIJ_KOGOJ_CD_-_SAMOSPEVI.aspx

Und dann muß ich am Schluß ganz einfach noch einen touristischen Hinweis anschließen.

Laibach ist eine Reise wert!

Das was im Klappentext des empfehlenswerten Buchs „Ljubljana - die jugendliche Stadt am Fluß“ zu lesen ist, stimmt ganz einfach:

„Ljubljana – ein neuer Fixstern am Himmel der Städtereisen…Die dynamische Stadt lockt immer mehr, auch internationale, Gäste an. Diese erwartet eine gelungene Mischung aus mediterranem Flair, alpenländischer Gemütlichkeit und – natürlich – den Spuren der k.u.k. Monarchie. Die von Plecniks Architektur geprägte Perle an der Ljubljanica bietet kulturelle Highlights der Spitzenklasse“ – siehe: http://styriaregional.styriabooks.at/article/2743

Es gibt übrigens durchaus auch kulinarische Highlights in einer Vielzahl von hervorragenden Lokalen – nicht versäumen sollte man die tradtionelle slowenische Spezialität „gibanica“

 

eine in neun Schichten aufgetürmte Speise mit Mohn, Nüssen, Äpfel und Topfen/Quark zwischen Blättern von Mürbteig und Strudelteig – diesmal genossen im urigen und traditionsreichen „Sokol“ (= Falke) – siehe:

http://www.gostilna-sokol.com/index.php?lang=ge

Hermann Becke

Bildercopyright liegt bei: SNG Opera in balet Ljubljana

 

 

 

 

 

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