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Leonard Bernstein

WONDERFUL TOWN

26. Januar 2018

Auftakt des Bernstein-Jubiläums mit einem in Frankreich noch nie gespielten Musical

Musicals haben einen schweren Stand in Frankreich. Das hat wahrscheinlich erst einmal mit der ausgeprägten Operettenkultur zu tun und mit der Tatsache, dass die meisten Franzosen kein Englisch sprechen. Doch ein Jubiläum bietet neue Möglichkeiten und der Direktor der Opéra de Toulon Claude-Henri Bonnet zeigt eine feine Nase für selten gespielte Werke. Einerseits ist er Koproduzent der Wiederentdeckung der Vaudeville-opérette „Mam’zelle Nitouche“ von Hervé (siehe Merker 1/2018), andererseits introduziert er schon seit Jahren Musicals, die noch nie in Frankreich gespielt wurden - wie 2010 „Street Scene“ von Kurt Weill und 2013 „Follies“ von Stephen Sondheim. Nun also „Wonderful Town“ (1953) von Leonard Bernstein (1918-1990). Denn nebst dem bekannten „West Side Story“ (1957) – allgemein als sein Meisterwerk angesehen – komponierte Bernstein noch drei Symphonien, drei Ballette und sieben Musicals, darunter „On the Town“ (1944) und „Wonderful Town“ (1953). Während „On the Town“ schon 2008 im Châtelet in Paris gezeigt wurde (das zur Zeit wegen großer Renovierungsarbeiten geschlossen ist), wird „Wonderful Town“ nun zum ersten Mal in Frankreich gespielt. Die deutschsprachige Uraufführung fand 1956 an der Volksoper in Wien statt, die das Werk bald wieder ansetzen will - in Koproduktion mit dem neuen Operettentheater in Dresden, wo es letztes Jahr zu sehen war.

Die „wunderbare Stadt“ ist natürlich New York, in der zwei Schwestern aus Ohio, die braunhaarige Ruth und die blonde Eileen, ihr Glück versuchen (das Libretto von Jerome Chodorov und Joseph Fields fußt auf der autobiografischen Novelle aus 1940 „My Sister Eileen“ von Ruth McKenny). Die beiden „Gänse vom Land“ werden mit dem bunten Treiben auf Christopher Street konfrontiert, wo die meist schrillen Figuren wörtlich „vorübertanzen“ (zehn Tanzeinlagen: gute 40 min. reiner Tanz!). Kaum angekommen, sehnen sie sich schon zurück nach dem überschaubaren Ohio (der berühmte Song „Why Ohio“) und wagen dann doch „das große Abenteuer“. Regisseur Oliver Bénézech, der in Toulon schon die französischen Erstaufführungen von „Follies“ und „Street Scene“ inszeniert hat, sorgt mit sicherer Hand dafür, dass der Abend nie langweilig wird. Frédéric Olivier entwarf 250 fantasievolle und farbenfrohe Kostüme in den weniger überraschenden Bühnenbildern von Luc Londiveau mit den (inzwischen schon fast obligaten) Videos von Gilles Papain.

Als Ruth Sherwood tritt Jasmine Roy auf, ursprünglich Kanadierin, die vor zehn Jahren eine der ersten „Variété“-Klassen an einem französischen Musikkonservatorium eröffnet hat. Mit viel Bühnenerfahrung kann sie die Hauptrolle vortrefflich spielen und sich in den verrückten Conga-Tänzen durch die Tänzer in die Luft werfen lassen ohne dabei mit der Wimper zu zucken. Ihr großer Song „One hundred easy ways to loose a man“ ist perfekt gespielt, doch für Merker-Ohren bleibt ihre Stimme recht „schmal“ (wenn man die Einspielung von Simon Rattle mit den Berliner Philharmonikern im Ohr hat). Rafaëlle Cohen hatte dagegen in „A little bit in love“ ihren hellen Sopran vollkommen im Griff und war (für uns) die beste Sängerin des Abends. Sie zeigte großes Vergnügen in ihrer Rolle als Ruths blonde Schwester Eileen, der alle Herzen zuflogen – auf der Bühne und im Saal. In der wichtigen Rolle des Verlegers Bob Baker (der erste Mann, der sich - endlich - in Ruth verliebt) erschien der bildschöne Maxime de Toledo, der auch noch eine angenehme, angeborene Vornehmheit mitbrachte. Doch als Schauspieler und vor allem als Sänger gab es noch reichlich viel „Luft nach oben“ – da war er vor einigen Jahren in Paris um einiges überzeugender als Basil in „The Picture of Dorian Gray“. Nicht alle guten Schauspieler sind auch gute Sänger...

In den Nebenrollen, die keine längeren Songs zu bewältigen hatten, war das kein Problem. Thomas Boutilier sang & spielte einen überaus sympathischen Wreck und bewies bei „Pass the football“ dass Rugbyspieler auch makellos Hemden bügeln können. Kein Wunder, dass Helen (Dalila Constantin) sich in ihn verliebt und ihre Mutter (die urkomische Alyssa Landry) ihn schließlich als Schwiegersohn haben will. Damit es so weit kommen kann, muss erst eines der scheußlichen Gemälde aus der „grün-blauen Periode“ des Malers Appopolous ins Pfandhaus gebracht werden (Jacques Verzier mit einem Schnurrbart, auf den Salvador Dali eifersüchtig wäre), um die rosa Cocktails des Frank Lippencott bezahlen zu können (hervorragend Sinan Bertrand), damit die beiden Schwestern die „neue Nummer“ in der Village Vortex-Bar des Speedy Valenti (Scott Emerson mit riesiger Zigarre) werden können. Dort wurde zum Finale wirklich fantastisch getanzt.

Riesiges Lob für die zwölf Tänzer und den französischen Musical-erfahrenen Choreographen Johan Nus – das hatte wirklich Broadway-Niveau! Vom Broadway kam der Star des Abends, Larry Blank, der dem Orchestre et Choeur de l’Opéra de Toulon einen „Swing“ entlockte, den wir nie in Toulon vermutet hätten. Leonard Bernstein hätte sich sicher gefreut. Leider gibt es nur drei Aufführungen (aber dafür wohl eine Fernsehaufzeichnung und später ein DVD) und leider ist dies auch - zumindest beim heutigen Stand der Informationen - die einzige szenische Aufführung eines Bersteinmusicals 2018 in Frankreich. Hier haben Musicals (noch) einen schlechten Stand – zum Glück werden sie andernorts mehr gespielt!

Bilder (c) Oliver Pastor

Waldemar Kamer 29.1.2018

Besonderer Dank an unseren Kooperationspartner Merker-online

 

 

LA BELLE HELENE

in der Opéra de Toulon am 31.12.2014

Zu Silvester: Champagner, Offenbach und schöne Frauen!

Zu Silvester gehört in Frankreich nun einmal Champagner und eine Operette von Offenbach. Laut Marktstudie wird mehr als die Hälfte der Champagner-Produktion nicht exportiert, sondern durch die Franzosen selbst getrunken, vor allem an Sylvester. Und in Frankreich werden dann auch die meisten Operetten von Offenbach aufgeführt. Dieses Jahr am Sylvesterabend in Angers, Avignon, Colmar, Montpellier, Mulhouse, Nantes, Paris, Rennes, Toulon und Strassburg (die kleinsten Häuser nicht mitgezählt). Das ist deutlich weniger als früher und hat mit der heutigen Erweiterung des Repertoires zu tun. An der Pariser Oper (und auch in Rouen) spielte man nun zum Beispiel „Hänsel und Gretel“ und an der Opéra Comique (und auch in Reims und Tours) die „Fledermaus“. Doch die „Belle Hélène“ gehört fest zum französischen „Réveillon“ und war und bleibt die an Sylvester meist gespielte Oper in Frankreich.

Während man sich in Deutschland den Kopf zerbricht wie man diese Geschichte aktualisieren kann – wie gerade in Berlin und in Hamburg (durch ARTE ausgestrahlt) – spielt man sie in Frankreich ungeniert so wie zu Offenbachs Zeiten. Ein Opernhaus, das sich besonders für eine solche Aufführung eignet, ist die Oper in Toulon: 1862 eröffnet und seitdem kaum verändert. In der Mitte des Foyers thront eine Büste von Offenbach. Daneben Halévy, Gounod, Bizet, Massenet, Meyerbeer, Ambroise Thomas und einige weniger bekannte Komponisten wie Audran, Lecocq und Reyer. Wagner und Beethoven wurden später hinzugefügt und in den Bildern unter den Büsten sehen wir das Boot des „Fliegenden Holländers“ und die „Götterfunken“ der „Neunten Symphonie“. Bei den andern Komponisten erkennen wir Szenen aus „Carmen“, „Faust“ und „Mignon“, doch dann wird es schwierig.

Das ganze Opernhaus ist mit Gemälden aus dem neunzehnten Jahrhundert verziert und man kann sehr anschaulich verfolgen, wie viele einst so beliebte Werke inzwischen völlig aus den Opernspielplänen verschwunden sind. Die Operetten von Offenbach zum Glück nicht. Letztes Jahr gab es an Sylvester die „Grande Duchesse de Gerolstein“ . Die jetzige Produktion der „Belle Hélène“ wurde dann in Metz gespielt, im Jahr zuvor in Saint-Etienne. So tauschen die Provinztheater ihre Offenbachs aus und wird so inszeniert, dass es überall passt und gefällt. Der Regisseur und Choreograph Bernard Pisani bedient alle Klischees in der reisetauglichen Bühne von Eric Chevalier und den bunten Kostümen von Frédéric Pineau. Es werden vor allem Beine gezeigt: die Männer tragen Sandalen und kurze römische Röcke, die Frauen treten in griechischen Togas auf, die sie so schnell wie möglich fallen lassen. Die Lokalzeitung „Var Matin“ schrieb auf der Vorderseite: „Fahren Sie dieses Jahr an Sylvester nach Toulon, dort können Sie Karine Deshayes in der Badewanne erleben!“.

 Wegen Karine Deshayes waren auch wir angereist, denn die „Diva der Pariser Oper“ (siehe Merker-Interview VII/2014) gab ihr sehr erwartetes Rollendebüt als Hélène. Seltsamerweise wird seit einigen Jahren gerade die Rolle der „schönsten Frau der Welt“ an ältere Sängerinnen gegeben, wie Felicity Lott oder Jennifer Larmore, während die Sängerin der Uraufführung, Hortense Schneider, 1864 gerade 31 Jahre alt war. Und wie man es Seitenlang in dem Roman „Nana“ von Emile Zola nachlesen kann, beruhte ein Grossteil der Faszination, die sie auf das Publikum ausübte (273 Vorstellungen!) auf ihren „Rundungen“. Davon hat Karine Deshayes mehr als genug und sobald sie die Bühne betritt, steigt die Temperatur. Es war sicher ein guter Gedanke, um den jungen Hirten/Prinzen Pâris mit einem ebenfalls jungen Sänger zu besetzen und wir freuen uns, Cyrille Dubois, gerade dem Atelier Lyrique der Pariser Oper entstiegen, in einer so prominenten Rolle zu erleben. Doch leider fehlt ihm (noch) die Bühnenerfahrung, um Karine Deshayes das Wasser reichen zu können und erst im dritten Akt wird er ein vollwertiger Partner für sie. Der Rest der Besetzung hat Bühnenerfahrung aber leider keine Stimme (mehr). Wir haben schon viele Sänger im Rentenalter als Ménélas gehört, unvergesslich zum Beispiel Michel Sénéchal mit 76! Doch Yves Coudray kann einfach ein Drittel der Rolle nicht mehr singen und macht die seltsamsten Faxen um das zu kaschieren. Viele seiner Bühnenpartner kämpften mit ähnlichen Problemen – Offenbach ist leicht zu hören, aber deswegen nicht leicht zu singen! Hier hätte ein erfahrener Dirigent gewisse Passagen transponiert oder gestrichen, doch das fiel Nicolas Krüger nicht ein. Er hatte eine überaus sympathische Ausstrahlung und sorgte für gute Laune, aber der Chor und das Orchestre de l’Opéra de Toulon erzielten dabei keine nennenswerte Leistung.

Das Publikum hat es nicht gestört: über jeden Gag wurde ausgiebig gelacht. Die meist gelungenen lassen sich leider nicht übersetzen, denn sie haben mit den Eigenheiten der französischen Politik zu tun. Und deswegen ist die „Belle Hélène“ auch so beliebt. Seit Kaiser Napoleon III & Eugénie, Sarkozy & Carla und Hollande & Valérie hat sich in Frankreich nicht so viel geändert (der Enthüllungsroman von Valérie Trierweiler über ihr „Jahr im Elysée“ ist das zur Zeit meist verkaufte Buch in Frankreich). An Sylvester erinnern die Franzosen sich gerne daran, dass ihre Kaiser, Könige und Präsidenten auch nur Männer sind, die manchmal Probleme mit ihren schönen Frauen haben...

Waldemar Kamer 1.1.2015

Dank an unseren Kooperationspartner MERKER-online

Bilder (c) Frédéric Stéphan

 

 

 

 

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