DER OPERNFREUND - 51.Jahrgang
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www.opera.poznan.pl/pl/

 

 

 

HALKA

von Stanislaw Moniuszko

26. Juni 2015

Ja, so stellt man sich lebendige Oper vor!

 Renata Borowska-Juszczyńska ist eine mutige Frau. Die Direktorin des Teatr Wielki im polnischen Poznan sucht seit ihrer Bestellung 2012 immer wieder neue Wege, um das Genre “Oper” in neue Bahnen zu lenken und attraktiv zu gestalten. Vor einiger Zeit ging es bei Wagners Parsifal zwar gründlich schief, als die dänische Regiegruppe “Hotel Pro Forma” (mit Kirsten Dehlholm) als Leading Team am Werk war. Und auch diesmal wählte sie einen riskanten Weg. Denn ausgerechnet die Oper Halka, ein Werk des in Polen so hochverehrten Stanisław Moniuszko (1819 – 1872), der als Vater der polnischen Nationaloper gilt und unter anderem auf einer Banknote abgebildet ist, sollte ebenfalls in neuen Kleidern auf die Bühne gebracht werden. Keine leichte Aufgabe, denn Halka gilt in Polen quasi als DIE Nationaloper schlechthin, an der man sich lieber nicht so leicht vergreifen sollte. Das spürte man auch in den Postings auf den Internet-Seiten der Social Medias, wo bereits vor der Premiere die ersten “Vorverurteilungen” zu lesen waren.

 Als Mitteleuropäer reiste man aber eher entspannt an. Hierzulande kennt man das Werk eigentlich kaum, zuletzt wurde Halka szenisch Mitte der 1960iger Jahre an der Wiener Volksoper aufgeführt (damals mit Ernst Gutstein und der erst unlängst verstorbenen Christiane Sorell in den Hauptrollen), am großen Haus weist die Chronik das Jahr 1892 (!) als Wiener Uraufführungsjahr aus. In Polen selbst feierte die nunmehr aufgeführte 4-Akte-Fassung nach zehn Jahren Überarbeitung im Jahr 1858 Premiere.

 Das Libretto von Włodzimierz Wolski war stark durch den Bauernaufstand in Galizien beeinflusst und eckte an der damals russischen Zensur an, für die der sozialkritische Aspekt des Werkes allzu viel politische Sprengkraft barg. Der Plot ist rasch erzählt und spielt original im 18. Jahrhundert: Halka, eine Waisin aus einem Bergbauerndorf, ist in den gutbürgerlichen Edelmann Janusz verliebt, der eine Affaire mit ihr hat und von dem sie ein Kind erwartet. Als aber die bevorstehende Hochzeit mit der standesgemäßen Zofia gefeiert wird und Halka das Geschehen beobachtet, beginnt das Ungemach. Janusz trifft keine klare Entscheidung und wurstelt so weiter wie bisher. Jontek hingegen – der aus dem gleichen Dorf wie Halka stammt und der auch in sie verliebt ist – will ihr die Augen öffnen, aber vergeblich. Bei der Hochzeit von Janusz und Zofia erwägt Halka zuerst Rache zu nehmen, wählt aber – nachdem sie ihr Kind verloren hatte – dann doch den Freitod. Die Hochzeitsgesellschaft tanzt weiter als sei nichts geschehen.

 Mehr als die übliche Liebesgeschichte interessierte den Regisseur Paweł Passini aber die Zugehörigkeit der Akteure zur jeweiligen Gesellschaftsschicht, das gleichzeitige Außenseitertum von Halka und Janusz und das Aufeinanderprallen der beiden unterschiedlichen Welten. Passinis Herangehensweise wirkt archetypisch, die Personenführung der Sänger bleibt dabei ein wenig im Hintergrund, was aber bei den starken Bildern, die er auf der Bühne zeichnet, kaum stört.

 Musikalisch besticht das bei uns so wenig bekannte Werk mit enormer Melodienvielfalt: Slawische Einflüsse, russische Weisen, Folklore-Lieder, Donizetti, Mendelssohn, Lortzing, ja manchmal scheint sogar Wagner durchzuschimmern. Jedenfalls effektvoll genug, sodass Halka auch unlängst in Kaiserslautern zur Aufführung gelangte. Die Kritiken sprachen dort von einer eher biederen und kitschigen Inszenierung. Davon war in Poznan aber schon gar nichts zu spüren. Zuzanna Srebrnahatte ein schlichtes einfaches Bühnenbild gewählt mit schrägen Flächen und angedeuteten Fluchtlinien, mit viel Licht und Video-Projektionen (Maria Porzyc). Weronyka Pelczyńska sorgte ihrerseits für eine Ballett-Choreographie, die eigens hervorgehoben werden muss: Kein volkstümliches Gehopse, sondern witzige, groteske Bewegungen, mit denen die Abgehobenheit der herrschenden Klasse in der Polonaise karikiert wurde bzw. die total beeindruckenden Tänze der Bergbauern, die mit Tierköpfen ihre Naturverbundenheit ausdrücken.

 Und natürlich hatte auch Generalmusikdirektor Gabriel Chmura einen großen Anteil am Publikumserfolg. Wie er immer wieder die Zügel anzog und nie ins verlockende larmoyante Schleppen kam, das hatte schon Klasse. Das Orchester folgte ihm willig und ließ auch mit Sololeistungen (wie etwa das virtuose, pastose Violoncello) aufhorchen. Der voluminöse Chor war bei Mariusz Otto in den besten Händen und man spürte bei jeder gesungenen Silbe, dass diese Oper in Polen jedermann von vorne bis hinten auswendig kennt. Apropos Sprache: Moniuszko beweist, dass seine Landessprache doch nicht so unsingbar ist, wie es manchmal den Anschein hat. Ja im Gegenteil, das klang alles unheimlich spannend, aufwühlend, romantisch und packend. Zum Verständnis trugen die englischen Übertitel entscheidend bei.

 Nicht ganz so geglückt schienen hingegen die ersten 20 Minuten, als die Ouvertüre zwar bei geschlossenem Vorhang gespielt wurde, die offenen Türen zu den Pausenräumen aber von der knalligen Musik unfreiwillig ablenkten: In den Foyers promenierten nämlich die Mitglieder von Chor und Ballett in ihren Fracks, die Solisten saßen im Parkett und in den Logen. Auch wenn damit klar war, dass die “Herrschenden” quasi unter uns waren, so trübte es doch den musikalischen Fokus. Bewundern musste man allerdings, wie Chmura in diesem Tohuwabohu die Fäden zwischen Orchester und Sängern auch in den Ensembles zusammenhielt.

 In den übrigen Szenen machte Passini aber nichts falsch. Die Darstellung der Abgeschlossenheit der Bergbauern in ihren wunderbaren zeitlosen Kostümen erfuhr durch sein besonderes Geschick bei Massenszenen zusätzliche Ausdruckskraft. Die als “Freeclimber” karikierten Bauern an den steilen Bergwänden brachten auch grotesk-komische Elemente ins Spiel, die man auch bei manch anderer Gelegenheit spürte.

 Was man aber gar nicht erwarten durfte, das war die Qualität der Sängerriege! Magdalena Molendowska sang die Titelpartie mit einem strahlenden Sopran, der einen metallischen Kern besitzt, lyrisch zart klingen konnte, und auch in der an die Lucia erinnernden Wahnsinnsszene bei aller Dramatik nie überfordert wirkte. Magdalena Wilczyńska-Goś meisterte die für einen Mezzo relativ hoch angesetzte Rolle der Zofia mühelos, allzu viel Persönlichkeit konnte sie librettobedingt nicht einbringen.

 Bartłomiej Misiuda (2007 Finalist des Belvedere-Gesangswettbewerbs) gestaltete den zwischen zwei Frauen stehenden Janusz eher zurückhaltend, kein lautes Macho-Gepolter, fast naiv schlitterte er in die Tragödie. Das Gegenteil davon sah man bei Paweł Skałuba, der als Janusz’ Leibeigener Jontek alles daran setzte Halka die Aigen zu öffnen. Anfangs etwas schaumgebremst kam sein baritonal gefärbter Tenor, der schon ins Heldenfach reicht, später voll auf Touren und der Extrajubel des Auditoriums war berechtigt. Für mich persönlich hinterließ der schwarz Bass des Rafał Korpikden nachhaltigsten Eindruck: Sein Stolnik (der Vater von Janusz) zeichnete einen würdigen Vertreter der “Upper Class”. Und auch der routinierte Andrzej Ogórkiewicz bewies als Stolniks Vertrauter Dziemba, dass ein Haus wie Poznan bis in die kleinste Rolle über ein starkes Ensemble verfügt. Eine anwesende US-Kollegin berichtete von der Generalprobe, dass auch die “Zweitbesetzung” auf der gleichen Qualitätsstufe anzusiedeln sei, wie die erste Garde!

 Abschließend muss noch auf ein Kuriosum hingewiesen werden, das bei den seitlichen Videoprojektionen des Schlussbildes auffiel. Hier sah man nämlich Filmszenen, die in Haiti aufgenommen wurden und offenbar die Oper in einer dortigen Open-Air-Aufführung zeigen. Beim Lesen des Pressematerials wurde ich dann schlauer. Diese Aufnahmen stammen von einem Projekt, bei dem Halka in Haiti – genau genommen in der Stadt Cazale – aufgeführt wurde. Wie kam man auf Haiti? Soldaten der Polnischen Legionen wurden 1805 von Napoleon dorthin entsandt, wandten sich aber später gegen die französischen Kolonialherren und unterstützten den Freiheitskampf. Als Dank erhielten sie Grundstücke bei Cazale und gelten heute noch als “Le Poloné” mit polnischen Wurzeln und entsprechendem Heimatgefühl. Dieses Kunstprojekt, an dem die Solisten aus Poznan auch teilnahmen, wurde heuer bei der Biennale Venedigs als Beitrag filmisch präsentiert.

 Zurück nach Westpolen, wo das Publikum nach 2 ½ Stunden einhellig jubelte. Für mich ein wirklich verdienter Erfolg des gesamten Teams, denn die oberste Prämisse an eine Oper ist für mich immer, dass sie alles sein darf, aber nur nicht fad. Und an diesem Abend gab es keine einzige Minute Langeweile, was heute bei Opernbesuchen nur mehr selten der Fall ist.

Ernst Kopica 27.6.15

Fotos: Teatr Wielki Poznan

 

 

CARMEN

Premiere 24. Mai 2014

Besuchte Aufführung 15. Juni 2014

Eine Carmen sucht ihren Regisseur

Es war schon ein Zufall, dass in den letzten fünf Monaten gleich drei Carmen-Premieren zu besuchen waren: Hamburg, Linz und nun am Teatr Wielki im polnischen Posznan (Posen). Und leider war man hier eben nur "dritter Sieger", denn mit einer solchen Inszenierung wie sie der in Berlin lebende und in Tunesien geborene Franzose Denis Krief, der bisher viel in Italien unterwegs war, gewinnt man auch an mittleren Bühnen wie hier keinen Blumentopf. Dabei hätte sich die musikalische Umsetzung etwas Besseres verdient gehabt. Der libanesisch-polnische Dirigent Bassem Akiki hatte das Orchester des Hauses perfekt auf Vordermann gebracht und so störte es auch nicht, dass in der von mir besuchten Stagione-Vorstellung die blutjunge Patrycja Peiczara am Pult stand: Alle heiklen Passagen wurden von Flöten und Hörnern einwandfrei gemeistert, natürlich darf man keine Vergleichsmaßstäbe mit den ganz großen Häusern anlegen, aber der große musikalische Bogen stimmte.

Auch die vokalen Leistungen der Hauptprotagonisten konnten sich hören lassen. Allen voran der Don Jose von Piotr Friebe, der gleich zu Beginn im Duett mit Micaëla bewies, dass er über mehr als nur eine Lautstärke verfügt. In feinem piano ziselierte er hier seine Stimme heraus, schade, dass er in der Blumenarie dann in der Höhe so wie viele andere Tenöre auch zu einem anschwellenden Ton Zuflucht nehmen musste. Dennoch bot für mich Friebe die beste Einzelleistung. Im gleichen Atemzug muss Roma Jakubokska-Handke genannt werden, deren Micaëla zwar ganz so sehr berührte – was aber hauptsächlich der unzureichenden Regie anzulasten war, aber mit Ausnahme einer einzigen unkontrollierten Attacke zeichnete sie das Bild der verschmähten Liebenden zumindest in gesanglicher Hinsicht perfekt.

Leider muss man bei Helena Zubanovich, der Gestalterin der Titelpartie einige Abstriche machen. Vielleicht lag es an fehlender Probenzeit, dass man ihr diese Rolle so gar nicht abnahm, vielleicht war es wirklich die komplett fehlende Personenregie, aber so wenig wie diesmal berührte eine Carmen selten. Und das obwohl jeder Ton saß, obwohl ihre Stimme ausgereift scheint und kaum Tremolo besitzt. Aber die leere Vordergründigkeit, mit der sie versuchte sexy zu sein (etwa mit einer nackten Schulter), hatte etwas Peinliches an sich. Gepackt wurde man erst im letzten Bild bei ihrer Ermordung, aber das lag eher an der genialen Musik Georges Bizets.

Mit Jaromir Trafankowski konnte man als Escamillo wirklich zufrieden sein, denn wo gibt es heute schon einen Idealinterpreten für diese Rolle. Eine interessante entwicklungsfähige Stimme war bei ihm zu hören, auch im Auftrittslied, das vom Ballett delikat begleitet wurde (Choregraphie Paul Julius). Natürlich, als richtige Macho-Persönlichkeit kam er nicht wirklich rüber, da hat ihm die leitende inszenierende Hand gefehlt.

Und damit sind wir schon bei der wirklichen und leider dominierenden Schwachstelle dieser Carmen: Krief verwendete einige Versatzstücke als Kulissen, die – meist willkürlich und nicht immer logisch – verschoben werden: Ein rechteckiges Podest für die Haupthandlung, zwei Stockgerüste mit leeren Fenstern auf der Frontseite, eine Wand mit Carmen-Plakaten, Tische, deren Besteigen offenbar Verruchtheit vorgaukeln soll und zum Schluss keine Stierkampfarena, sondern Carmens Schlafzimmer. Dass in Zeiten wie diesen natürlich am Bühnenbild gespart wird ist ja durchaus ok, aber ein bisschen Fantasie darf schon noch gefragt sein. 

Der sich wacker schlagende Chor darf nur herumstehen und mit Pseudogesten agieren, das (etwas unexakte) Ballett liefert Carlos-Saura-Zitate und die Sänger scheinen komplett auf sich allein gestellt. Ein kleiner Tipp für die Verantwortlichen: Engagierte Regieassistenten holen in so einem Fall mehr aus einem Stück als große Regie-Namen. Denn diesmal wirkte diese große Oper wie eine kleine Operette. Den Zweikampf Don Jose-Escamillo sieht man in jeder Konservatorium-Aufführung lebensechter und spannender. Und dass es bei Carmen in erster Linie um Sex geht merkte man auch erst im Finale, als Escamillo Carmens Schlafzimmer verlässt, bis dahin war es eher biederster "Hausfrauensex" (man verzeihe diesen Ausdruck), den man geboten bekam. Und dass es vielleicht gar nur ein "Stück im Stück" sei (dessen Bedeutung sich mir aber so überhaupt nicht erschloss) konnte man zu Beginn von Akt 4 erahnen, als das Volk mit den Programmheften ebendieser Carmen-Produktion herumwinkten.

Noch ein Wort zu den Nebenrollen: Hier hatten die Frauen die Hosen an, denn Natalia Puczniewska (Frasquita) und Magdalena Wilczyńska-Goś (Mercedes) gefielen wesentlich besser als die sängerisch grenzwertigen und darstellerisch fast peinlichen Karol Bochański (Remendado) und Tomasz Mazur (Dancairo). Rollendeckend hingegen

Rafal Korpi und Andrzej Ogórkiewicz als Zuniga und Morales. Feines Gespür bewies das Publikum, denn aus dem Höflichkeitsapplaus wurden Frieb und Jakubowska-Handke klar herausgehoben. Erfreulich der Altersschnitt des Poseners Publikums, der weit unter denen von deutschen und österreichischen Häusern liegen dürfte.

 

P.S:

Eigentlich galt meine Reise ins polnische Posen nur der oben rezensierten Carmen. Aber was tun am Vorabend, wenn einem die Direktion eine Karte zu einer Erstaufführung aufdrängt und als Alternative die Fernsehübertragung von Griechenland gegen Kolumbien (die einstigen Rehhagel-Schützlinge schaffen es wohl immer zu einem Großereignis) auch angesichts der bisherigen Schir-Pfiffe nicht besonders verlockend ist. Kurz und gut, ich mache meine Hausaufgaben, lese die Vorlage für diesen Abend, nämlich die Edgar Allen Poe-Kurzgeschichte "The Angel of the Odd" in der Originalfassung, um dem Stück (polnisch gesprochen und englisch gesungen) folgen zu können (Poe betitelte übrigens seine Erzählung, die 1844 erstmals veröffentlicht wurde, als "Extravaganza") und sehe dann eine der größten Bühnen-Überraschungen der letzten Monate. Das Teatr Wielki leistet sich nämlich den Luxus eines "Operntheater-Laboratoriums", einer Plattform für das Opernhaus und die künstlerischen Universitäten der westpolnischen Stadt und die jungen Protagonisten sorgen für einen höchstvergnüglichen Mini-Opernabend von einer knappen Stunde.

Der Italiener Bruno Coli schuf ein höchst interessantes Auftragswerk, das Libretti hält sich peinlich genau an die Vorlage Poe's (auch mit allen bewusst eingesetzten Dialektfärbungen – Poe bezeichnet sie als eine Sprache, die man nirgends auf der Welt spricht), das Zusammenspiel zwischen einem Schauspieler (als Erzähler beeindruckte mich – obwohl der polnischen Sprache nicht mächtig – Marcin Kluczykowski) und drei Sängern: die hervorragende und witzige Urszula Cichocka als Engel, der tenoral-schmachtende und unheimlich wandlungsfähige Hubert Walawski als Held der Erzählung und der im Original nicht vorkommende Journalist, der von Jukian Kuczynski mit Esprit und sattem Bariton gestaltet wurde.

Kurz zur Story: Der Held, ein überzeugter Junggeselle, der nur an die Logik glaubt, lebt allein in seinem Haus. Schicksal, Zufälle und Unerklärliches passen in sein Weltbild nicht hinein. Dann allerdings zieht das Unerklärliche in Form eines seltsamen Engels ein, der den eingebildeten Mann läutern will. Bizarre Bilder, überraschende Wendungen und viel Stoff zum Interpretieren, Poe-Liebhaber kommen voll auf ihre Rechnung! Die Gehässigkeiten des Alltags, sei es nun, dass das Haus niederbrennt, es mit der Hochzeit nichts wird oder dass sich der Held einen Arm bricht, all das passiert, die Story klingt wie ein vorweggenommenes Murphy's Law!

Die Musik Colis erinnerte stark an Bernstein, war über weite Strecke aber total passend, manchmal glitt sie ins musicalhafte ab, dann wieder wirkte sie filmmusikmäßig untermalend – aber zu jeder Zeit passten Wort und Noten im Wechselspiel! Grzegorz Wierus, der am Haus als musikalischer Assistent Gabriel Chmuras tätig ist, leitet das Kammerorchester des Teatr Wielki perfekt, Krysztof Cichenski inszenierte ohne großen Schnick-Schnack und mit viel Witz!

Ernst Kopica 16.6.14

Fotos © Katarzyna Zalewska/Oper Posen

 

 

 

PARSIFAL

18. Oktober 2013 (Premiere)

Am Ende ein großer unerwarteter Buhorkan

Wagner und Polen, das ist eine besondere Geschichte. In seinen frühen Jahren sympathisierte Richard Wagner aufgrund seines revolutionären Gedankenguts natürlich mit den östlichen Nachbarn, speziell in ihrem Freiheitskampf gegen Russland nahm er ihre Position ein. In seiner Leipziger Zeit schrieb er damals sogar zwei Polonaisen für Klavier, welche auf die traditionelle polnische Musik Bezug nahmen. Seine „Politische Ouvertüre“ aus dem Jahr 1830 wurde auch als „Polnische Ouvertüre“ bezeichnet und natürlich muss auch sein Orchesterwerk „Polonia“ (1836) genannt werden.

Was die Aufnahme seiner Opern durch das polnische Publikum anging konnte man im 19. Jahrhundert von einer regelrechten Erfolgsgeschichte sprechen. Sein „Tannhäuser“ schaffte es schon 1867 auf eine dortige Bühne, nämlich jener von Lemberg, aber auch in Warschau waren Wagners Bühnenwerke sehr populär. Auch das deutschsprachige Theater von Posen hatte sowohl vor dem Ausbruch des 1. Weltkriegs als auch danach alle seine wichtigen Werke im Repertoire. Nach dem 2. Weltkrieg gab es klarerweise einen totalen Stillstand und es dauerte bis zum Jahr 1956, als Lohengrin in Warschau aufgeführt wurde, im selben Jahr folgte Posen mit einer Produktion des „Fliegenden Holländers“. Die Vereinnahmung Richard Wagners durch die Nationalsozialisten und das Naheverhältnis des Wagner-Clans belasteten klarerweise die Sicht der polnischen Opernhäuser und deren Besucher auf sein Oeuvre. Wenn es Inszenierungen gab blieben diese sehr konservativ und erst in den letzten Jahren 10 Jahren öffnete man sich für moderne Sichtweisen. Und damit verliert auch das (ironische) Wort Woody Allen’s aus seinem „Manhattan Murder Mystery“ immer mehr an Bedeutung : „Jedesmal wenn ich Wagner höre bekomme ich Lust in Polen einzumarschieren!“

Renata Borowska-Juszczyńska, die Direktorin des Teatr Wielki in Poznan (Posen) ging ausgerechnet im heurigen Jubiläumsjahr das Wagnis ein, an ihrem herrlichen Haus (1910 von Max Littmann erbaut, Fassungsvermögen über 800 Plätze), eine außergewöhnliche Sicht auf Parsifal, das letzte Werk Richard Wagners, zu präsentieren:. Das Regiekonzept übertrug sie der seit 1985 bestehenden dänischen Gruppe „Hotel Pro Forma“, deren Hauptakteure die Regisseurin Kirsten Dehlholm und Choreograph Jon R. Skulberg sind. Aufmerksamkeit zog „Hotel Pro Forma“ in jüngster Vergangenheit mit seinen Inszenierungen im Opernhaus von Riga (u.a. Rienzi) auf sich, mit ihrem Engagement wollte Poznan sich aus dem Einheitsbrei der sogenannten polnischen „Provinztheater“ hervorheben. Eine mutige Entscheidung, denn das Regieteam bekannte im Vorfeld der Aufführung freimütig die Musik des Parsifal zuvor nicht gekannt zu haben!

Und das merkte man an diesem Abend leider allzu sehr. Für mich sind Inszenierungen, die man nur nach dem Lesen des Programmheftes versteht, eine glatte Themenverfehlung und ungenügend. Noch schlimmer war es aber hier, denn diesmal hatte der Zuseher, der Parsifal das erste Mal sieht, auch nach der Lektüre der theoretischen Schriften und Anmerkungen des Leading-Teams keine Chance die Handlung und den Inhalt zu verstehen. Und das lag nicht an der mangelnden Textdeutlichkeit der Sänger! Im Gegenteil, die war nämlich vorbildlich. Für einen Parsifal-gewohnten Rezensenten ergaben sich zwar interessante neue Einblicke und nette Regiegags, aber das Geheimnisvolle und Symbolhafte des Bühnenweihspiels ging leider fast vollständig verloren.

Ein paar Beispiele gefällig? Der Speer, den Klingsor im zweiten Akt Richtung Parsifal schleudert, erweist sich als Meteor, der auf der Erde einschlägt – er soll die übernatürlichen Kräfte repräsentieren. Die Rollen von Kundry und Parsifal werden quasi gedoppelt, eine stumme Figur agiert im Hintergrund der Sänger, bei Parsifal übernimmt diese Funktion ein Schauspieler, der in der Gebärdensprache den Text wiederholt (eine wenigstens originelle Sichtweise), bei Kundry glückt der schon sehr abgelutschte Verdoppelungs-Gag weniger, völlig unverständlich bleibt dann die Szene, in der die „zweite“ Kundry ein Kind getöt hat! Warum sich Titurel als Trapezkünstler auf der Schaukel beweisen muss, verstand ich ebenso wenig wie die Tatsache, dass die (verhüllten) Blumenmädchen Parsifal im Yoga-Sitz zwar gesanglich, aber nicht darstellerisch an die Wäsche wollen (obwohl die Damen bei der Premierenfeier dann ihre Reize durchaus zeigten). Lediglich als penetrant muss das Aufkleben von roten Blutspuren bezeichnet werden, das der im Rollstuhl sitzende Amfortas vorzunehmen hat. Aber vielleicht war nur der Schreiber dieser Zeilen mit dem intellektuellen Verstehen des Gesehenen überfordert.

Das Ganze wird von den Dänen (die eine richtige Schlachtenbummlergruppe nach Poznan mitbrachten) als post-dramatische Theater-Dramaturgie bezeichnet und erinnert an die Inszenierungen eines Calixto Bieito, allerdings nicht in dessen Radikalität. Und eine solche wäre sogar besser gewesen als die lediglich wahllose Aneinanderreihung von Versatzstücken des modernen Regietheaters: Ein würdevoll schreitender Chor mit Koffern (schon zigmal gesehen), die Überlebenden des Meteoreinschlages, die zu Beginn des dritten Aktes am Boden liegen (was komplett dem Zeitraster der Oper widerspricht, denn da müssten sie viele Jahre so zugebracht haben), eine sehr herkömmliche Lichtregie, bei der ins Publikum strahlende Scheinwerfer das Publikum mehr irritierten als sie stimmungsvolle Bilder schufen, der immer und immer wiederkehrende Einsatz von Spiegeln durch die Choristen, mit dem wohl Lichteffekte erzielt werden sollten, was aber gründlich misslang.

Bleibt nur abschließend die Textierung von „Hotel Pro Forma“ zu wiederholen, in der „Parsifal als szenisches Gedicht gesehen wird, in welchem der menschliche Körper eine Metapher ist, die Bühne die Architektur, die Stimme die menschliche Kunst und die Musik als die Brücke zu unserem inneren Wagner“ gesehen wird. Ich hoffe, sie verstehen was gemeint ist, ich tat es nicht.

Ganz anders fällt die Kritik aber aus, was die musikalische Substanz dieser Premiere betrifft. Hier ist die Oper von Poznan auf dem richtigen Weg. Das Orchester meisterte die Partitur dank ihres Chefs Gabriel Chmura in fast jeder Situation mit Bravour. Chmura gelang es auch über die volle Länge (und der Abend dauerte wegen einer überlangen, einem Sponsorendinner geschuldeten ersten Pause, über 5 ½ Stunden) die Spannung aufrecht zu erhalten und als man beim Schlussapplaus die noch sehr jungen Orchestermitglieder sah, musste man diese Leistung noch umso mehr würdigen. Aber auch die Solistenriege verdient in jeder Hinsicht die besten Zensuren. Allen voran natürlich Thomas Mohr, der in der Titelrolle souverän dann zur Stelle war wenn es heikel wurde. Er klang immer so, als wäre der Parsifal die leichteste Tenorpartie der Welt: Unangestrengt, wortdeutlich, in schauspielerischer Hinsicht tat er das, was gefordert wurde – die absolute Nummer 1 des Abends. Dann muss aber schon der Amfortas von Mark Morouse genannt werden, der seine Leiden mit gewaltiger Baritonstimme fast körperlich spürbar machte. Als beim zweiten „Erbarmen“ die Intonation ins Schwanken geriet, konnte man richtig die gesamte Erschütterung des Mannes erfühlen. Leider musste er – wie bereits erwähnt – einige Regiegags mitmachen, er entledigte sich dieser Aufgaben aber routiniert und unaufgeregt. Und auch der Gurnemanz von Mario Klein verdient ein uneingeschränktes Lob. Besonders soll auch auf die Tatsache hingewiesen werden, dass er relativ kurzfristig einspringen musste,– keine leichte Situation beim gewaltigen Umfang dieser Rolle. Das angenehme Timbre seines Basses ließ auch bei ihm die ständigen Störungen des szenischen Ablaufes in den Hintergrund treten (er war als Bibliothekar mit einem in seinen Rock eingearbeiteten Rucksack versehen worden, aus dem Studenten immer wieder Bücher entnahmen und wieder hineinlegten).

Nicht ganz so glücklich sein durfte man mit der Kundry von Agnieszka Zwierko sein, die doch hörbar an ihrem sängerischen Limit angelangt war, während die ebenfalls am Haus engagierten engagierten Jerzy Mechliński als Klingsor und Krzysztof Bączyk als Titurel positiv überraschten. Die Gruppe der Blumenmädchen (Natalia Puczniewska, Monika Mych-Nowicka, Magdalena Wilczyńska-Goś, Barbara Gutaj-Monowid, Galina Kuklina und Katarzyna Włodarczyk) seien pauschal erwähnt, auch sie konnten mit Wortdeutlichkeit und idealen Stimmfärbungen punkten, was man von den Knappen und Gralsritter leider nicht behaupten konnte. Ein Extralob verdient der gewaltige Chor des Hauses, er konnte mit dem manch größeren Hauses durchaus mithalten.

Alles in allem war Poznan trotz allem eine Anreise (die aus Wien gar nicht so unkompliziert war) wert, es muss nämlich einer Operndirektorin im Stagionesystem auch gestattet sein ein Wagnis einzugehen und vielleicht mit Bomben und Granaten zu scheitern. Für diesen Mut ist die Dame zu beglückwünschen, „Hotel Pro Forma“ kann man nur wünschen aus diesen Erfahrungen zu lernen. Von Buh-Orkan des Auditoriums wurden sie diesmal offenbar überrascht. Insgesamt aber ein interessantes Experiment und allein das europaweite Medienecho sowie der Besuch hochkarätiger Mitarbeiter der Kulturszene sind der Beweis dafür, dass für das Teatr Wielki die Rechnung aufgegangen ist.

Fotocopyright: Katarzyna Zalewska

Ernst Kopica

 

 

 

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