DER OPERNFREUND - 51.Jahrgang
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Waldbühne Kloster Oesede

 

Schwarzer Humor auf der Waldbühne
Zum Sterben schön

Premiere: 13.08.2021
besuchte Vorstellung: 18.08.2021

 

Lieber Opernfreund-Freund,

in diesem Jahr darf das Team der Waldbühne Kloster Oesede wieder Frohsinn verbreiten und zeigt – selbstverständlich unter Einhaltung strikter Abstands- und Hygieneregeln – das Musical Zum Sterben schön, einen vor schwarzem Humor triefenden Melodienreigen, der auf einer Filmkomödie aus dem Jahr 2002 fußt, die den sperrigen deutschen Titel Grabgeflüster – Liebe versetzt Särge trägt.

 

 

Ganz und gar nicht sperrig geht es dagegen auf der Waldbühne zu, dafür hat Regisseur Lars Linnhoff gesorgt, der die folgende Geschichte kurzweilig und zum Teil zum Brüllen komisch erzählt: In einer walisischen Kleinstadt lieben sich der Bestatter Boris Plots und die Bürgermeistergattin Betty. Damit Betty gesichtswahrend ihrer tristen Ehe mit dem herrischen Hugh entkommen kann, beschießen die beiden, Bettys Tod zu inszenieren – und zwar auf dem alljährlich stattfindenden Klippenfest. Hugh wiederum ist auch kein Kind von Traurigkeit und beschließt zusammen mit seiner Assistentin Meredith, mit der er ein Verhältnis hat, seine Gattin loszuwerden – und zwar auf dem alljährlich stattfindenden Klippenfest. So sind Irrungen und Verwirrungen vorprogrammiert, ehe am Ende Boris und Betty auf Tahiti ihr Glück unbeschwert genießen können. Marc Schubring hat zu diesem Plot einen bunten Strauß an eingängiger Tanzmusik erdacht, Cha-Cha, Rumba, Tango und Rock’n’Roll geben sich die Ehre, Choreografin Annika Dickel hat sich dazu passende Schritte ausgedacht, so dass der swingende Rhythmus dabei auch das Publikum ansteckt.

 

 

Dabei hat man in Kloster Oesede mit erschwerten Bedingungen zu kämpfen – wie Theaterschaffende derzeit allerorts. Die Anzahl der Protagonisten ist auf zehn beschränkt, die Band „Die Band“, die sonst die Aufführungen begleitet, darf nicht spielen – und so fällt Christian Tobias Müller die anspruchsvolle Aufgabe zu, am Keyboard musikalisch durch den Abend zu führen. Und das macht er ganz hervorragend, findet in den Tanznummern den Richtigen Drive und in den Balladen die passende Portion Gefühl und wird so nicht nur zum gefühlvollen Begleiter, sondern zum Motor abseits der Bühne, der das Geschehen in Gang hält. Auf der Bühne selbst fällt diese Rolle dem jungen Frank Featherbed zu, der zusammen mit seinem Mitarbeiter Delbert die Bestattungsbranche mit Eventbestattungen revolutionieren will und damit um ein Haar den Plan der beiden Liebenden vereitelt. Mit einem umwerfenden Gespür für Komik schlüpfen Jan-Marten Gerve und Tom Schmutte in die Rollen des naiv-schrillen Duos und sind Garanten für den einen anderen Lacher. Das ist aber auch kein Wunder angesichts der überdrehten Kostüme, in die Werner Knappheide und sein Team sie gesteckt haben.

 

 

Auf der Bühne sorgen Volker Möller und der Regisseur Lars Linnhof mit schlichten Aufbauten für eine ansprechende Kulisse, den Rest der Atmosphäre besorgt ohnehin die Dämmerung, die im Laufe der Aufführung langsam über die Waldbühne hereinbricht. Mathias Olschewski ist ein echter Showman und gestaltet den Boris engagiert und voller Feuer und spielt doch vor allem in den Balladen seine stimmlichen Trümpfe aus. Tanja Hüther als Betty bringt Musicalfarbe mit und überzeugt auch darstellerisch als bodenständige Bürgermeistergattin, die den eigenen Gefühlen nicht so recht trauen mag. Ihr fieser Mann Hugh findet in Michael Dreier einen idealen Gestalter voller Esprit, doch die jungen Britta Kuper ist für mich sicher die Entdeckung des Abends. Sie gibt den berechnenden Vamp Meridith voller Nonchalance und Leichtigkeit. Dabei paart sich ihr strahlendes Auftreten mit schauspielerischem Talent und ihr makelloser und dafür umso gefühlvollere Gesang hat Starqualität – ein faszinierender Mix! Doch auch Kerstin Hartberger, Julia Lichter, Gerrit Wesselmann und Werner Knappheide in den kleineren Parts brauchen sich darstellerische hinter den Kollegen nicht zu verstecken und gefallen mir mit ihrem beherztenn Spiel.

 

 

Im Rahmen der erlaubten Kapazitäten ist die Waldbühne ausverkauft, das Publikum begeistert. Die Zuschauer trotzen den im Laufe des Abends zusehends herbstlichen Temperaturen, lassen sich von der Spielfreude auf der Bühne mitreißen, klatschen und applaudieren frenetisch. Und die Tatsache, dass jeder einzelne die Vorstellung mit einem Lächeln verlässt, ist sicher das größte Lob, das man den engagiert aufspielenden Laien aussprechen kann.

 

Ihr
Jochen Rüth

20.08.2021

 

Die Fotos stammen vom Fototeam der Waldbühne.


Der kleine Horrorladen

Premiere: 28.06.2019
besuchte Vorstellung: 09.08.2019

Professionell und mitreißend

Lieber Opernfreund-Freund,

eigentlich meide ich die Festival-Zeit wie der Teufel das Weihwasser. Allzu oft sitzt man auf unbequemen Klappstühlen, schaut und hört sich künstlerisch eher Mittelmäßiges an, das nicht selten akustisch von zweifelhafter Qualität ist – und zahlt dafür noch gesalzene Eintrittspreise. Dass es ganz andres geht, habe ich gestern in der Waldbühne Kloster Oesede erleben dürfen, in der seit Juni Little Shop of Horrors von Alan Menken in der deutschen Version von Michael Kunze zu sehen ist. Dank des beherzt aufspielenden Ensembles gerät der Abend zum uneingeschränkten Vergnügen.

Schon 1951 wurde in Kloster Oesede, einem Stadtteil von Georgsmarienhütte, unweit von Osnabrück gelegen, die Freilichtbühne in Betrieb genommen, die nach einer längeren Pause seit nunmehr 31 Jahren ununterbrochen bespielt wird. Seit 2003 unter der Ägide des Vereins Waldbühne Kloster Oesede e.V., zeigt man neben jeweils einem Kinderstück (heuer Madagaskar) jedes Jahr im Sommer musikalische Werke für Erwachsene, die schon von Musicalklassikern wie Oklahoma und Anatevka über weniger Bekannteres wie Zzaun! bis hin zu Operetten wie Frau Luna und dem weißen Rößl reichten. Auf der Bühne stehen ausnahmslos Laien, die mit viel Herzblut zur Sache gehen und dem Publikum vor stimmungsvoller Kulisse am Rande des Teutoburger Waldes einen schönen Abend bereiten wollen. Dabei bleiben die Mitwirkenden der Waldbühne nicht selten über Jahre und Jahrzehnte treu, übernehmen nach kleinen bald größere Rollen und tragen – oft parallel – auch hinter der Bühne Verantwortung. Seit 15 Jahren unterstützten Livemusiker die Darbietungen, ein professioneller Regisseur zeichnet für die Inszenierung, eine ausgebildete Musicaldarstellerin für die Choreografie verantwortlich. Auch die musikalische Leitung ist vom Fach.

The Little Shop of Horrors heißt ein B-Movie aus den 1960er Jahren, das bald eine eingefleischte Fangemeinde hatte und als erfolgreichste Billigproduktion aller Zeiten gilt. Die skurrile Geschichte um den unglücklichen Seymour Krelborn, der eine unheimliche Pflanze, die er mit Blut und später mit Menschen füttern muss, zur Attraktion eines Blumenladens macht, verzeichnete noch größeren Erfolg als Musical, das 1982 auf die Bühne kam und vier Jahre später in der Filmversion von Frank Oz mit Rick Moranis, Steve Martin und John Candy – dann allerdings mit Happy End – zum Kultfilm und damit zum Welterfolg wurde. Mr. Mushnik, Inhaber eines schlecht laufenden Blumenladens in einem heruntergekommenen Stadtviertel einer Großstadt irgendwo in Amerika, hat den sympathischen Einfaltspinsel Seymour zu sich genommen, aber weniger aus Nächstenliebe, als vielmehr, um ihn auszubeuten. Seymour ist unglücklich in seine Kollegin Audrey verliebt, die ihrerseits mit dem sadistischen Zahnarzt Orin zusammen ist, der sie verprügelt. Seymour überredet seinen Chef, eine seltene Pflanze, die er aufgezogen hat, ins Schaufenster zu stellen, um wieder Kundschaft in den Laden zu locken. Die Rechnung geht auf, das ungewöhnliche Gewächs wird zur Attraktion und der Umsatz floriert. Niemand ahnt, dass sich die fleischfressende Pflanze von menschlichem Blut ernährt, das Seymour anfangs von sich selbst abzapft, später aber sowohl den gewalttätigen Zahnarzt als auch seinen verhassten Chef an Audrey 2 – so hat er die Pflanze genannt – verfüttert. Seymour und Audrey finden zueinander, werden aber beide ebenfalls Opfer des Gewächses, das sich als außerirdisches Geschöpf entpuppt, das die Weltherrschaft anstrebt.

Der Regisseur Lars Linnhoff hat am Staatstheater Wiesbaden und dem TfN in Hildesheim gearbeitet und ist ein ausgemachter Musical-Spezialist. Raumgreifend lässt er die ausladende Waldbühne bespielen und zeichnet selbst die kleinsten Nebenrollen noch mit einer wunderbaren Detailverliebtheit zu Individuen mit eigenem Charakter. Dabei helfen ihm auch die unglaublich variantenreichen Kostüme, die Stella Ruhe und ihr Team zusammengestellt haben und die von der Pennerkluft bis zum paillettenbesetzten Abendkleid reichen. Mushniks Blumenladen ist ein kleiner drehbarer Kubus, in dem die Pflanze – vom Publikum unbeobachtet – wachsen, gedeihen und immer größer werden kann. Maske und Requisite haben ganze Arbeit geleistet und alles aufgeboten, was ein so stimmiger wie bunter Musical-Abend braucht. Nicht genug loben kann ich die einfallsreiche Choreografie von Annika Dickel, die der quirligen Story den nötigen Drive mitgibt. Das durchdachte Licht von Lennart Clausing samt Team tut ein Übriges, um die Möglichkeiten der Waldbühne bestens in Szene zu setzen und die Handlung stimmungsvoll zu untermalen.

Dass ausnahmslos Laiendarsteller auf der Bühne stehen, ist angesichts der hohen Professionalität, die alle Beteiligten an den Tag legen, kaum zu glauben. Bis in die kleinste Statistenrolle ist jeder mit Feuereifer dabei, es wird auf beachtlichem Niveau gespielt, gesungen und getanzt. Timm Hellermann gibt den armen Seymour überzeugend, zeigt gekonnt dessen Unsicherheit, ohne selbst auch nur einen Hauch unsicher zu sein. Er singt versiert und schickt gerade in den Balladen viel Gefühl ins Publikum, meistert aber auch anspruchsvolle Parlandostellen und die Tanzeinlagen scheinbar mühelos. Stella Ruhe ist eine ganz wunderbare Audrey und erinnert mich in ihrer Leopardenleggins und mit ihren kleinen Tippelschritten an eine junge Version von Peggy Bundy. Dazu ist die erst 24jährige eine echte Rampensau (Entschuldigung, schöner kann man es nicht beschreiben), der man die Spielfreude in jeder Sekunde anmerkt. Werner Knappheide zeigt als Mr. Mushnik viel Gespür für komödiantisches Timing, während Jens Landwehr als Orin Scrivello ein Bösewicht wie aus dem Bilderbuch ist, der neben unglaublich vielen darstellerischen Facetten auch eine wunderbare Singstimme zeigen darf. Larissa Fühner, Judith Röwekamp und Luana Niemann sind ein herrlich schrilles Dreiergespann der Kids from the Block, während ich vom Gesang der drei Musen von der ersten Sekunde an begeistert bin: Kerstin Hartberger, Melanie Krupke und Janine Meyer kann man so, wie sie sind, auf die Bühne eines Jazzclubs stellen – und das sogar, ohne sie umzuziehen – so fein aufeinander abgestimmt sind ihre Stimmen. Wunderbar! Thorsten Hülsmann ist eine stimmgewaltige Audrey 2 und erst im Schlussbild im grünem Glitzermantel zu sehen.

DIE BAND, wie die Band heißt, wird von Christian Tobis Müller gekonnt vom Klavier aus geleitet. Die insgesamt neun Musiker produzieren von der Seite genau den richtigen Sound, damit es auch musikalisch ein großartiger Abend wird. Der Melodienstrauß reicht von gefühlvollen Balladen und Duetten bis zu rockigeren Klängen. Das Publikum, das sich zum Teil ein Schlückchen Wein mitgebracht hat und wie die Darsteller ein paar Regentropfen ohne mit der Wimper zu zucken trotzt, ist von diesem Kleinen Horrorladen begeistert – und ich bin es auch. Das Engagement, die ansteckende Spielfreude und auch die künstlerische Leistung des Laienensembles müssen sich hinter den Profis nicht verstecken. Also, lieber Opernfreund-Freund: Auf nach Kloster Oesede, es wird noch bis Anfang September gespielt.

 

Ihr Jochen Rüth 10.08.2019

Die Fotos stammen von Michael Otto.

 

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