DER OPERNFREUND - 51.Jahrgang
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Jacques Offenbach

LISCHEN ET FRITZCHEN

29.2.2020

Vergnügliche Raritäten mitten im Pariser Opernstreik

An dieser Stelle sollte eigentlich eine Premierenkritik stehen der neuen Produktion von Massenets „Manon“ an der Opéra National de Paris. Doch diese fiel dem immer noch andauernden und inzwischen schon längsten Streik der französischen Operngeschichte zum Opfer, dessen Hintergründe sich schwierig in zwei Sätzen zusammenfassen lassen. Denn die Situation in Frankreich ist auf diesem Gebiet völlig anders als in den deutschsprachigen Ländern. Das hat nicht nur damit zu tun, dass die Streikrechte und dementsprechend Streikgewohnheiten total anders sind (laut EU wurde in Deutschland in den letzten 20 Jahren für 1000 Arbeitnehmer 9-14 Tage pro Jahr gestreikt, in Frankreich 150-180 Tage (!) – die beiden letzten wilden Jahre nicht mitgerechnet!). Es hat auch mit der politischen Kultur zu tun, die hier total hierarchisch ist und einem Minister oder Operndirektor verbietet, auch nur die geringste Kritik auszuüben auf einen Befehl der aus dem Elysee-Palast kommt. So kann Stéphane Lissner nicht in der Öffentlichkeit sagen, was inzwischen schon von allen Seiten bestätigt wurde: dass es in den zwei Jahren Vorbereitung der Rentenreform nicht ein einziges Gespräch mit der Oper gegeben hat, wie man diese in diesem spezifischen Fall umsetzen kann. In anderen Fällen auch. Als ex-Ministerin Ségolène Royal diesen allgemeinen Mangel an Vorbereitung und Kommunikation kritisierte, wurde sie Tag danach fristlos entlassen, weil sie als „Botschafterin der Pole“ (Nord- und Südpol, einen fast operettenartigen Botschafterposten den es anscheinend nur in Frankreich gibt) gegen den „devoir de réserve“ verstoßen hatte: die gesetzliche Schweigepflicht von französischen Beamten.

Nach drei Monaten Streik scheint immer noch kein klarer Lösungsvorschlag auf dem Tisch zu liegen, u.a. weil laut Insiderberichten weder die Pariser Oper noch die vielen verschiedenen Gewerkschaften ein Computerprogramm besitzen, mit dem man die verschiedenen Rentenmodelle berechnen könnte. Das Kultusministerium besitzt wohl ein solches, doch der jetzige Minister Franck Riester interessiert sich mehr für die französische Mee-too-Debatte um Roman Polanski als für die National Opern (es wird u. a. auch in Lyon gestreikt). Keiner weiß, wie es weitergehen wird und die Pressekonferenz für die nächste Spielzeit – an der Pariser Oper immer schon im Februar – wurde auf unbestimmte Zeit verschoben. Weil Stéphane Lissner unmöglich seine letzte Spielzeit ankündigen kann (bevor er nach Neapel weiterreist) ohne zu wissen, wieviel Geld noch in den Kassen sein wird und ob die geplanten Neuinszenierungen überhaupt stattfinden können. Positiv ist, dass seit Februar schon einige Repertoirevorstellungen stattgefunden haben und alle sich bemühen, um zumindest nach außen hin ein Gefühl von Normalität zu vermitteln, nachdem es sehr laute Proteste gegeben hatte von dem zu Recht erbosten Publikum, das im Dezember und Januar unter unmöglichen Umständen – es streikte ja auch der ganze öffentliche Verkehr – bei Schneematsch und Kälte zu Fuß dennoch in die Oper gekommen war, um dort in letzter Minute – oft erst 20 Minuten vor Beginn der Vorstellung – zuhören, dass diese abgesagt wurde. Insgesamt haben nun schon über 150.000 Besucher oft erst in letzter Minute erfahren, dass eine Vorstellung nicht stattfindet und sie wieder nach Hause gehen konnten.

In diesen nervenaufreibenden Umständen ist es wirklich bewundernswert, dass viele Künstler und Techniker dennoch hochkarätige künstlerische Arbeit geleistet haben und leisten. So ist die jetzige Neu-Produktion von „Manon“ eine der schönsten die ich je gesehen habe – nur ich darf sie aus rechtlichen Gründen nicht rezensieren. Denn ich war vorsichtshalber schon auf der Hauptprobe. Die öffentliche Generalprobe (für Jugendliche unter 25 Jahre) wurde aus „technischen Gründen“ abgesagt und die Premiere in letzter Minute wegen dem Streik.

Zum Glück gibt es auch an solchen Abenden in Paris viele Ersatzmöglichkeiten, sowie die köstlichen kleinen „Opéras Bouffes Bru Zane“ im Théâtre Marigny auf den Champs-Elysées (über die wir schon öfters berichtet haben). Das Palazzetto Bru Zane feiert weiter den 200. Geburtstag von Jacques Offenbach mit vielen kleinen und großen Überraschungen.

Die kleine Operette „Lischen et Fritzchen“ (kaum 20 Minuten) ist nicht ganz unbekannt, weil viele Sänger das lustige Duo „Je suis alsacienne, Je suis alsacien, Juche das Leben ist doch eine Freude, Juche das Leben ist doch ein Pläsir“ auf Platte aufgenommen haben. Aber man sieht sie selten auf der Bühne. Offenbach hat sie anscheinend nach einer Wette in nur einer Woche für den Kursaal in Bad Ems komponiert, wo das vornehme Kurpublikum sich am 21 Juli 1863 köstlich über das „Elsässisch“ auf der Bühne amüsiert hat und das Werk dann auch bald in Deutschland gespielt wurde als „Lieschen und Fritzchen“. Offenbach übernahm übrigens diese Melodie – ist das Niemanden aufgefallen? – drei Jahre später für das Duo „Je suis la gantière, je suis le bottier“ in „La Vie parisienne“ („Pariser Leben“).

Sehr origineller Weise kombiniert das Palazzetto „Lischen et Fritzchen“ mit einer vollkommen unbekannten Operette von dem genauso unbekannten Frédéric Wachs. Wachs (1824-1869) war hauptsächlich ein Arrangeur in Paris, der bekannte Melodien für Klavier und Gesang umschrieb und auch einige kleine Operetten komponierte für die Folies-Bergères und das Eldorado. So einige Offenbach-Parodien wie „Un mari dans la serrure“ (Ein Ehemann im Schlüsselloch) nach Offenbachs „Un mari à la porte“ (Ein Ehemann vor der Tür). Das Libretto, eine typisch pariserische Ehebruchskomödie, ist absolut hervorragend und könnte mit Feydeau und Labiche konkurrieren. Gefundenes Fressen für den jungen Regisseur Romain Gilbert, der mit seinem Ausstatter Mathieu Crescence beide Geschichten gekonnt zu einer zusammenschweißt und für ein äußerst vergnüglichen Abend sorgt, in dem das Publikum quasi pausenlos gelacht hat. Das lag auch an den besonders spielfreudigen Sängern (die in diesen komischen Einaktern mehr zu spielen als zu singen haben). Adriana Bignagni Lesca war uns schon in der ebenfalls durch Gilbert inszenierten „Périchole“ in Bordeaux als Brambilla aufgefallen (siehe Merker 11/2018) und besticht nun als Lischen und Thérézina durch ihre Sprachgewandtheit, die man bei diesem urkomischen „Kauderwelsch“ nötig hat. Damien Bigourdan, dem wir schon als Célestin in Mam‘zelle Nitouche von Hervé in Nantes begegnet sind (siehe Merker 1/2017), konnte ihr absolut das Wasser reichen und sie bildeten ein amüsantes Paar. Sie wurden ganz wunderbar am Klavier begleitet durch Jean-Marc Fontana, der musikalische Mentor des Abends. Denn Placido Domingo, Jessie Norman, Renée Fleming und kürzlich noch Nadine Sierra (für „Manon“) kamen zu ihm, wenig es darum geht, solche Rollen einzustudieren. Denn hier geht es darum, um genau den richtigen französischen Ton zu treffen – und das ist Allen voll und ganz gelungen. Ein vergnüglicher Abend, der Ende März in Montpellier wiedergegeben und in der nächsten Spielzeit auf einer Tournee durch Frankreich reisen wird. Zum Glück gibt es neben der „großen Oper“ auch noch die kleinen! 

 

Palazzetto Bru Zane: www.bru-zane.com

 

Waldemar Kamer, 2.3.2020

Bilder © Raphaël Arnaud

 

OPERNFRERUND CD TIPP

 

 

 

 

 

 

Jacques Offenbach

LES DEUX AVEUGLES

19. Januar 2019

Viele Raritäten in Paris im Rahmen des Offenbach-Jahres des Palazzetto Bru Zane

Das Palazzetto Bru Zane – das wir inzwischen nicht mehr vorzustellen brauchen - feiert den 200. Geburtstag von Jacques Offenbach (am 20. Juni 1819 in Köln geboren) mit vielen kleinen und großen Überraschungen. Nach der „großen romantischen Oper in vier Akten“ „Die Rheinnixen“ (in der nun zum ersten Mal gespielten französischen Fassung „Les Fées du Rhin“) in Tours und danach in Biel (siehe Merker 11+12/2018) und der vollkommen verschollenen und nun erstmals wieder ausgegrabenen opéra-bouffe „Barkouf ou un chien au pouvoir“ in Straßburg (siehe Merker 1/2019) gibt es nun unbekannte kleine bouffoneries musicales in Paris. Alexandre Dratwicki, der wissenschaftliche Direktor des Palazzetto, erklärt uns, dass mehr als zwei Drittel des gesamten französischen Opernrepertoires des 19. Jahrhunderts aus kleinen Opern und Operetten in einem Akt bestand, die oft als „Vorspeisen“ dienten, um dem gesamten Opernabend die gewünschte Länge von 3-4 Stunden zu geben. Da sich unser „Opern-Menü“ seitdem vollkommen verändert hat, sind diese Werke nun größtenteils verschollen. Außer den Einaktern, die in den kleinen Theatern als „Hauptspeise“ serviert wurden.

Dazu gehören „Les deux aveugles“ von Offenbach, mit denen er 1855 sein erstes und bald weltbekanntes Theater Les Bouffes-Parisiens vor den Türen der Weltausstellung auf den Champs-Elysées eröffnete. Auf dem gleichen Platz steht nun das Théâtre Marigny - ein idealer Ort um sich an Offenbachs Anfänge in Paris zu erinnern. Das heutige Theater ist natürlich sehr viel größer als die kleine Holzbude von Offenbach, so spielt man in der kleinen Studiobühne, die ganz mit Holz getäfelt ist. Wegen der großen Theater- und Opernreform Napoleons in 1807 durften auf den kleinen Bühnen nicht mehr als zwei oder drei Sänger auftreten und waren Chöre und Ballette dort verboten. Deshalb hat Offenbach den gleichen Sängern oft mehrere Rollen gegeben, Puppen und Marionetten eingesetzt und größere Handlungen außerhalb der Bühne verlegt. Die Mittel waren beschränkt, aber die Ambitionen groß!

„Les deux aveugles“ (auf Deutsch „die beiden Blinden“) ist eine Parodie auf die damals (und auch heute noch) in Paris weit verbreiteten Bettler, die fantasievoll immer wieder neue Verkleidungen und Rührgeschichten erfinden. In diesem Fall sind es der Trombonist Patachon und der Gitarrist Giraffier. Vom Namen her: Dick wie eine Kartoffel und lang wie eine Giraffe (lange bevor „Laurel & Hardy“ erfunden wurden). Beide streiten wie Waschweiber um den besten Bettel-Platz auf dem Pont-Neuf und erfinden dabei haarsträubende Geschichten, warum sie blind geworden sind. Patachon berichtet, wie er angeblich von einem Pariser Regenschirmfabrikanten nach „Kon-Kon-stan-stan-tiopele“ geschickt wurde, dort wegen einer Revolution vertrieben wurde, unter widrigsten Umständen die Beresina überqueren musste, dort durch Krokodile angegriffen wurde, die sich anscheinend besonders für Pariser Regenschirme der allerletzten Mode interessierten.

Beim Anblick der zerfetzten Schirme übermannte ihn eine solch eine starke Rührung, dass er das Augenlicht verlor... Das alles wird mit unzähligen kleinen Anspielungen und Witzen erzählt, wobei alles was in Paris um 1855 als hoch und heilig galt durch den Kakao gezogen wird: die tragische Überquerung von Napoléons „grande armée“ der Beresina, der alte blinde General Bélisaire auf dem berühmten Bild von David etc. Bei den großen Philosophen angekommen, erklärt er, dass Descartes hauptsächlich ein Kartenspieler war („des cartes“). Es wird also mehr gesprochen und gewitzelt als gesungen, beide Figuren haben jeweils zwei Arien, die sie zum Teil mit den eigenen Instrumenten begleiten. Die Regisseurin Lola Kirchner inszenierte dies als eine musikalische Clownsnummer, in der Raphaël Brémard (Patachon) und Flannan Obé (Giraffier) mit beinahe jedem Satz das sehr gut gelaunte Publikum zum Lachen brachten. Musikalisch gibt es wenig zu berichten, denn die vier Arien sind ein früher Offenbach - deutlich erkennbar, aber nicht so unverwechselbar genial wie in seinen späteren Werken.

Deshalb wurde diesem halbstündigen Einakter gleich noch ein weiterer angehängt, mit einem musikalischen Inhalt: „Le compositeur toqué“ (auf Deutsch „Der verrückte Komponist“) von Hervé, von dem das Palazzetto Bru Zane vor kurzem die Vaudeville-opérette „Mam’zelle Nitouche“ ausgegraben hat (siehe Merker 1/2018). Der „romantische Komponist“ Fignolet (wieder Raphaël Brémard - „fignoler“ heißt im Künstlerjargon: immer noch überall weitere Änderungen/Verzierungen anbringen) sitzt am Klavier (nun sehen wir endlich mal den Pianisten des Abends Christophe Manien), um uns seine neue Symphonie zu erklären (so wie Berlioz das allererste Programmheft der Musikgeschichte geschrieben hat, um seine „Symphonie fantastique“ dem Publikum zu erläutern). Doch sein Diener Séraphin – fabelhaft gespielt und gesungen durch Flannan Obé - verheddert sich in den Verzierungen und Kadenzen, versteht nicht warum in einer Symphonie in Mol 99 Dur-Zeichen stehen und macht aus einer „note filée“ ein Kotelett (ein „filet“).

Ein „Amüsement für Insider“, könnte man denken. Doch der Saal, in dem sicherlich nicht nur Komponisten und Musik-Spezialisten befanden, hat wieder bei jedem falschen Ton von Séraphin gelacht, genauso wie die Kinder, die neben mir saßen, die zum ersten Mal in ihrem Leben in einer Oper waren. Sie meinten danach, dass sie alles verstanden hatten und konnten erstaunlich viele Witze nacherzählen – Beweis dafür, dass man diese verschollenen Einakter mühelos einem heutigen französischen Publikum als amüsantes „Hors d’oeuvre“ anbieten kann. Für meine deutschen Kollegen im Saal, die kein französisch sprechen, war es offensichtlich schwieriger. Denn der spezifisch französische „esprit“ lässt sich genauso wenig ins Deutsche übersetzen, wie viele Begriffe des deutschen Denkens ins Französische (das Begriffe wie „Heimat“, „Sehnsucht“ oder selbst „Gemütlichkeit“ und „Schweigen“ nicht kennt).

Das Festival „Les Opéras Bouffes Bru Zane“ im Théâtre Marigny wird im März fortgesetzt mit „Le retour d’Ulysse“ von Hervé, im Mai mit „On demande une femme de chambre“ von Robert Planquette, gekoppelt mit „Chanteuse par amour“ von Paul Henrion und im Juni mit „Sauvons la caisse“ von Charles Lecocq, zusammen mit „Faust et Marguerite“ von Frédéric Barbier. Im Juni folgen dann als „Hauptspeise“ die großen Opéra Bouffes von Offenbach „Maître Péronilla“ im Théâtre des Champs-Elysées und „Madame Favart“ in der Opéra Comique (beides vollkommen vergessene Spätwerke aus 1878). Wir sind schon gespannt!

 

Waldemar Kamer 22.1.2019

Bilder (c) Palazzetto Bru Zane

 

Palazzetto Bru Zane : www.bru-zane.com

 

OPERNFREUND CD TIPP dazu

Mehr als diese Silberscheibe fanden wir leider nicht für unsere leser

 

Aber hier zum Reinhören die wunderbare Ouvertüre ;-)))

 

DER OPERNFREUND  | opera@e.mail.de